Termin in der Tosa-Klause

SAARBRÜCKEN. Seit genau drei Jahren ist der kleine Pascal verschwunden. Gestern war erstmals sein Vater, gegen den weiter ermittelt wird, Beobachter in dem Mordprozess. Verteidiger haben einen Ortstermin in der Tosa-Klause beantragt.

Der 30. September ist im Fall um den kleinen Pascal Z. (5) ein ganz besonderer Tag. Am Sonntag, dem 30. September 2001, wurde der kleine Junge zum letzten Mal im Saarbrücker Stadtteil Burbach gesehen. Glaubt man der Anklage, die im laufenden Prozess von Oberstaatsanwalt Josef Pattar vertreten wird, wurde Pascal am Nachmittag des 30. September 2001 von brutalen Kinderschändern im Nebenraum der "Tosa-Klause" vergewaltigt und umgebracht.Verhandlung an Pascals Todestag

Folglich wäre der 30. September Pascals Todestag. Gestern war wieder der 30. September. Am dritten Jahrestag verhandelte das Schwurgericht unter Vorsitz von Ulrich Chudoba die Anklagen gegen die 13-köpfige "Tosa-Gemeinschaft" wegen Mordes, schweren sexuellen Missbrauchs oder Beihilfe zu diesen Taten. Das Interesse einzelner Medien fällt an diesem Tag auf einen Mann, der hinten im voll besetzten Zuschauerraum Platz genommen hat. Pascals Vater wird erstmals im Gerichtssaal gesehen. Der Mann soll Pascal wiederholt mit in die "Tosa-Klause" gebracht haben. Gegen ihn wird weiterhin wegen Verdachts der Beihilfe zum sexuellen Missbrauch ermittelt. Im Prozess tritt er als Nebenkläger auf, wird von einem Anwalt vertreten, der auch vor Kameras für ihn redet. Dem Mann selbst kam gestern ein deftiges Schimpfwort über die Lippen - an welche Adresse, ob Angeklagte, Anwälte oder Gericht, es gerichtet war, blieb offen. Jedenfalls warnte Richter Chudoba, der die Sitzung souverän leitet, den Nebenkläger deutlich, drohte eine Ordnungsstrafe oder Rauswurf an. Im Mittelpunkt des Prozessgeschehens am Vormittag stand wieder Erika K. (51). Die geistig zurückgebliebene Reinemachefrau behauptet, gesehen zu haben, wie Pascal in der Abstellkammer der Kneipe von dem Angeklagten Martin R. (42) vergewaltigt wurde. Der Junge habe geschrien, weshalb die Mitangeklagte Andrea M. (40) seinen Kopf in ein Kissen gedrückt habe. Dabei sei Pascal gestorben. Sie selbst habe der Hauptangeklagten, Ex-Wirtin Christa W. (51), und dem "Franzosen" Dieter S. geholfen, die in eine Hundedecke eingewickelte Leiche in einen blauen Müllsack zu verpacken. Erika K. wusste auch am vierten Verhandlungstag wieder auf sehr viele Fragen der Verteidiger keine Antworten. Mit dem zeitlichen Ablauf der von ihr geschilderten Ereignisse hat die Frau, die während ihrer Vernehmung offensichtlich zittert, ihre Probleme. Im breitesten Dialekt räumt sie ein: "Mit der Zeit habe ich es nicht so!" An viele Details, die sie Polizei und Ermittlungsrichter einmal zu Protokoll gegeben hat, kann sie sich heute angeblich nicht mehr erinnern. Sicher ist sie jetzt aber, dass Gabi G. (50) entgegen früherer Aussagen doch am Tattag in der Kneipe gewesen ist.Entscheidende Frage: Eine glaubwürdige Zeugin?

Deren Anwältin sagt sie, sie sei sich wirklich sicher, weil sie im Gefängnis viel Zeit zum Nachdenken gehabt habe. Entschieden wehrt sich die Frau gegen Mutmaßungen: "Mir hat keiner gesagt, ich müsste das oder das sagen." Einem Verteidiger, dem sie weinend erzählt, wie schlimm es im Gefängnis ist, sagt sie, sie erhoffe sich "ganz bestimmt" vor Gericht Vorteile, weil sie aussage. Für viele Verteidiger ist die Frau unglaubwürdig. Genau dies wollen die Anwälte bei einem Ortstermin beweisen. Ihr Antrag: Das Gericht soll sich in der "Tosa-Klause" davon überzeugen, dass die Angeklagte von ihrem geschilderten Standort nicht sehen konnte, was in der Abstellkammer geschah. Das Schwurgericht muss nun über einen Antrag auf einen Ortstermin am mutmaßlichen Tatort, der früheren "Tosa-Klause", entscheiden.

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