Terrorismusexperte fordert mehr verdeckte Ermittler

Berlin · Für die Bekämpfung des Linksextremismus sind nach Einschätzung des Leiters des Essener Instituts für Krisenprävention, Rolf Top hoven, mehr verdeckte Ermittler und eine konsequente Strafverfolgung notwendig.

Berlin. Der Essener Terrorismusexperte Rolf Tophoven sprach mit unserem Berliner Korrespondent Stefan Vetter über die Brandsätze auf Gleisanlagen in Berlin. Herr Tophoven, haben wir es bei den versuchten Brandanschlägen auf die Bahn mit einem neuen Linksterrorismus zu tun?Tophoven: Ich würde noch nicht von Linksterrorismus sprechen. Unzweifelhaft ist aber, dass die linksextreme Gewalt eskaliert. Aber auch der Terror der RAF hatte mit Brandstiftungen begonnen.Tophoven: Die jetzigen Anschläge sind trotzdem nicht mit dem Linksterrorismus à la RAF vergleichbar. Zunächst einmal sind die Strukturen heute völlig anders als in den 60er und 70er Jahren. Die Anschläge der RAF stießen ja zunächst auf Sympathie in der damals aufbegehrenden Studentenschaft. Davon ist heute nichts zu spüren. Hinzu kommt, dass die jetzigen Brandanschläge viel weniger koordiniert sind als einst bei der RAF. Und daraus könnte sich nicht noch mehr entwickeln?Tophoven: Das kann man sicher nicht ausschließen. Aber von Linksterrorismus ließe sich erst reden, wenn Menschen, vor allem aus den politischen und wirtschaftlichen Eliten, gezielt angegriffen und getötet würden. So wie das später durch die RAF der Fall war. Wird der Linksextremismus in Deutschland verharmlost?Tophoven: Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 hat sich der Fokus zweifellos auf den islamistischen Terrorismus verlagert. Er bleibt auch die Herausforderung Nummer eins. Die Aufmerksamkeit für die linksextreme Szene, die ja sogar eine gewisse Solidarität mit dem militanten Islam bekundet hat, ist dadurch allerdings in der Tat geschwunden. Das gilt für die öffentliche Wahrnehmung genauso wie für die Arbeit der Sicherheitsbehörden. Die meisten Brandsätze sind zum Glück nicht explodiert. Steckt dahinter Absicht oder Unvermögen?Tophoven: Beide Thesen sind nicht auszuschließen. Denn ob so oder so, den Tätern gelingt es auf jeden Fall, Verunsicherung zu schaffen. Sie wollen sehen, wie die Sicherheitsbehörden reagieren. Ein bewusst amateurhaftes Vorgehen ist aber weniger wahrscheinlich, weil die linke Gewaltszene in der Vergangenheit durchaus innovativ und ausgeklügelt operierte. Unterscheidet sie das grundsätzlich von rechtsextremistischen Gruppierungen?Tophoven: Das ist sicher so. Rechtsextreme agieren eher offen, plump und auch verbal brutal. Hinzu kommt ein unterschiedliches ideologisches Feindbild. Linksextreme lehnen den bundesdeutschen Saat grundsätzlich ab. Schon weil er ihnen viel zu militant ist. Stichwort Afghanistan-Krieg. Rechtsextreme sind nicht prinzipiell gegen den Staat, aber er ist ihnen zu lasch, was beispielsweise die Ausländerpolitik anbelangt. Wie lässt sich der Linksextremismus eindämmen?Tophoven: Für die Bekämpfung von Gewalt, egal ob durch links oder rechts verursacht, gibt es keinen Königsweg. Alle Parteien, besonders die Linke, müssen sich von solchen Gewalttaten ohne Wenn und Aber distanzieren. Notwendig sind auch mehr verdeckte Ermittler in der linkextremen Szene. Das darf aber nicht dazu führen, dass die Sicherheitskräfte an anderer Stelle abgezogen werden. Und es bedarf einer konsequenten Strafverfolgung

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