Tête-à-Tête unter Europäern

Paris/Berlin · Martin Schulz glaubt: Ich kann Europa besser als Merkel. Darum trifft der SPD-Chef sich in Paris mit dem französischen Präsidenten Macron.

Tête-à-Tête unter Europäern
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Paris/Berlin (dpa) Je näher die Bundestagswahl rückt, umso häufiger und voller Esprit spricht Martin Schulz von seinem "Freund" in Paris. "Ja, Emmanuel, meine Partei unterstützt mehr Investitionen in Deutschland und Europa", rief der SPD-Kanzlerkandidat am vergangenen Sonntag bei der Präsentation seines "Zukunftsplans" in Berlin dem französischen Präsidenten Macron zu. Schulz liegt zehn Wochen vor der Bundestagswahl in Umfragen weit abgeschlagen hinter CDU-Kanzlerin Angela Merkel. Nun will er im Endspurt seine Europa-Kompetenz ausspielen. Und ein bisschen vom Glanz des neuen, jungen und linksliberalen Präsidenten in Paris profitieren. Schulz reist an diesem Donnerstag in die französische Hauptstadt. Dort will er mit Politikstudenten an der berühmten Hochschule Sciences-Po über Europa diskutieren, später empfängt ihn Macron im Élyséepalast. Was erhofft sich Schulz von seinem Besuch? Im Wahlkampf sind Bilder eine wichtige Währung. Seit' an Seit' mit Europas Hoffnungsträger Macron kann Schulz zeigen, dass er auf internationalem Parkett eine gute Figur macht. Bislang tingelte der Merkel-Herausforderer meist über die Dörfer - das schafft zwar Bürgernähe und stärkt Schulz' Image als Kleine-Leute-Versteher. Es bringt ihn aber selten auf die Titelseiten. Ganz anders Merkel. Bei diversen Gipfeln setzte die CDU-Chefin sich im Kreis der Staats- und Regierungschef als mächtigste Frau der Welt gekonnt in Szene - die Fotos von brennenden Kleinwagen und geplünderten Supermärkten in Hamburg waren zuletzt sicher nicht nach ihrem Geschmack.Wieso kommt es überhaupt zu dem Treffen? Schulz ist doch nur Kanzlerkandidat und hat kein Amt? Die Initiative ging nach französischer Darstellung von Schulz aus. Macron empfange den Kanzlerkandidaten, wie Macron damals als Präsidentschaftskandidat von Kanzlerin Angela Merkel empfangen wurde, meint Regierungssprecher Christophe Castaner zu dem Treffen. Macron ist ein überzeugter Europäer und tritt für eine starke Partnerschaft mit Deutschland ein. Erst vor einer Woche hatte er Merkel beim deutsch-französischen Ministerrat im Élyséepalast begrüßt. Liegen Schulz und Macron politisch auf einer Linie? Schulz stellt sich demonstrativ an die Seite Macrons. Der SPD-Kanzlerkandidat unterstützt Forderungen des Franzosen nach einem eigenen Haushalt für die Eurozone und einem europäischen Finanzminister. Macron hatte nur zwei Monate nach seinem Amtsantritt klargemacht, die EU sei kein Supermarkt, in dem jeder kriege, was er wolle. "In Deutschland wird seit zwölf Jahren an der Regierungsspitze zu diesem Thema geschwiegen", sagt Schulz über Merkel. Es sei ein Skandal, dass die Kanzlerin jüngst Macron in Sachen Euro-Budget auf die Zeit nach der Wahl vertröstet habe. Wie will Schulz sich in der Europa-Politik von Merkel abgrenzen? Sein Kalkül sieht so aus: Er, der langjährige EU-Parlamentspräsident, der "Mister Europa" der SPD, der fließend Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch und Niederländisch spricht, will Europa als Schicksalsgemeinschaft zusammenhalten - dagegen auf der anderen Seite Merkel, die kühle Konservative, die Europa und die deutsch-französische Achse nur als Mittel zum Zweck sieht, so zumindest der Schlachtplan der Genossen. Die SPD hofft, mit einem klaren Bekenntnis zu Europa in Zeiten von Trump, Putin und Erdogan Wähler zu mobilisieren - ähnlich wie es Macron in Frankreich mit seiner Bewegung "en marche" gelang. Was würde Schulz in Europa anders machen, wenn er Kanzler wäre? Schulz fordert mehr Solidarität in der Flüchtlingsfrage. So will er sich demnächst in Rom mit Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni treffen und nach Lösungen suchen, wie Italien bei der Bewältigung der hohen Flüchtlingszahlen geholfen werden kann. Schulz würde Bremsern wie Ungarn und Polen im Zweifel den EU-Geldhahn teilweise zudrehen, wenn sie keine Flüchtlinge aufnehmen. Notfalls sollte Deutschland bei den anstehenden Verhandlungen zum EU-Haushalt sein Veto einlegen. Umgekehrt wäre Schulz bereit, für Europa noch mehr als die aktuellen 15 Milliarden Euro netto aus Deutschland auf den Tisch zu legen. Er geht damit bewusst ein Risiko ein. Die EU wird von vielen Deutschen als Bürokratie-Monster wahrgenommen, die Milliardenhilfen für Griechenland polarisieren unverändert. Schulz aber sagt: "Deutschland kann mehr, und auch Europa kann mehr." Macron hat ja hochfliegende Pläne für eine "Neugründung" Europas. Wird er sich damit durchsetzen können? Für endgültige Antworten ist es noch zu früh, denn Macron amtiert erst seit zwei Monaten. Zumindest sorgt der 39-Jährige für neuen Schwung in der Europa und mehr Zuversicht in seinem hoch verschuldeten Land.Gibt es bereits konkrete Schritte? Ja. Deutschland und Frankreich signalisierten vor einer Woche, dass sie bei der Verteidigungszusammenarbeit Ernst machen wollen. Auf dem Programm steht unter anderem die gemeinsame Entwicklung eines neues Kampfflugzeuges. Für weitere Schritte, wie die Reform der europäischen Währungsunion, muss hingegen die Bundestagswahl im September abgewartet werden. Deutschland will zudem bald Ergebnisse bei der französischen Arbeitsmarktreform sehen, die bereits von der Regierung angeschoben wurde. Auch die Sanierung der französischen Staatsfinanzen wird in Berlin ganz genau beobachtet - Paris will im laufenden Jahr zum ersten Mal seit langem wieder die Maastrichter Defizitgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung einhalten.

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