"Teurer Freund, neuer Partner"

MAINZ. Neue Gemengelage im Landtag: Die langsam wachsende Große Koalition in Berlin macht sich im Mainzer Landesparlament bereits leise bemerkbar, auch wenn die Frontstellung sich nicht grundsätzlich ändert.

FDP-Mann Jürgen Creutzmann jedenfalls hat "den Kampfanzug schon an", um nach allen Seiten zu attackieren, wie er wissen lässt. Die Lautstärke nimmt zu, und es wird eifrig Wahlkampf betrieben, als die CDU-Landtagsfraktion das Thema "Offene Drogenszene" zur Aussprache bringt, um eine "schlafende Landesregierung" auf Trab zu bringen. Im Gegenzug fängt sie sich den Vorwurf der Stimmungsmache ein.Einige sind noch etwas desorientiert

"Schreiner ist noch etwas desorientiert über die neuen Berliner Verhältnisse", witzelt später SPD-Fraktionschef Joachim Mertes in Anspielung auf die werdende Große Koalition im Bund, die auch SPD und CDU im Land zwangsläufig etwas näher bringen wird. Bald muss wohl manches gemeinsam verteidigt werden, was bisher Anlass für Scharmützel gab. FDP-Kämpe Jürgen Creutzmann ist zum Schlagabtausch bereit, wie er in der Debatte um die abgeblasene PKW-Maut wissen lässt. "Ich bin gespannt, wie alles wird, wenn die CDU in der Bundesregierung ist", so der feixende Liberale zu den Christdemokraten. "Bestimmt wird alles besser", gibt sein Parteifreund, Wirtschafts-Staatssekretär Günter Eymael, augenzwinkernd zu Protokoll, als es um unzureichende Finanzmittel für den Straßenbau geht. Mit "teurer Freund, neuer Koalitionspartner", spricht CDU-Wirtschaftsexperte Georg Gölter den SPD-Fraktionsvorsitzenden an, bevor er in aller Sachlichkeit die von der SPD/FDP-Landesregierung geschätzte jüngste Länderstudie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft zerpflückt, die doch Rheinland-Pfalz eine überdurchschnittliche Wirtschaftsdynamik attestiert. Nicht, dass er alles schlechtreden wolle im Land, versichert das CDU-Urgestein. Aber Schwachstellen zu benennen, werde wohl noch statthaft sein. Keineswegs geheuer ist CDU-Fraktionschef Christoph Böhr die Große Koalition im Bund. Die Uhren im Landtagswahlkampf werden anders ticken, ist er sicher: Bestimmte Themen müssen aus dem Streit herausgehalten werden, für andere wird man den Kopf mit hinhalten müssen, auch wenn die Kritik eigentlich aus seiner Sicht auf die Kappe der Genossen zu gehen hätte. "Wir haben nicht ohne Grund die Große Koalition gescheut wie der Teufel das Weihwasser", sagt Böhr dem TV. FDP und Grüne werden davon profitieren. Auch Grünen-Fraktionschefin Ise Thomas stellt fest, dass einige ihre neue Rolle suchen. Während die Ökopartei hier wie da als Opposition eine klare Front hat, sind alle anderen im Spagat zwischen Opponieren und Regieren. "Wer sich aber im Spagat übt, kann schlecht nach vorne gehen", weiß Thomas. Joachim Mertes sieht das als Koalitionär aus eigener Erfahrung anders. Die FDP etwa sei lange geübt, als Regierung und Opposition zu agieren: "Man weiß oft nicht, auf welchem Bein sie gerade tanzt."

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