"Tiere verrecken elendig"

Ist die Lage durch die Blauzungenkrankheit dramatischer als bekannt? Vor allem Schafhalter sind von der für Menschen ungefährlichen Tierseuche betroffen. Ihnen sterben reihenweise die Tiere weg.

Kinderbeuern. "Eine Katastrophe." Werner Becker fehlen die Worte. Der 62-jährige Schafhalter ist verzweifelt. 35 Mutter-Tiere sind ihm in den vergangenen zwei Wochen bereits verendet, gestorben an der Blauzungenkrankheit. "So was habe ich in 40 Jahren als Schafzüchter noch nicht erlebt", sagt der Mann aus Kinderbeuern (Kreis Bernkastel-Wittlich). Übertragen wird die für den Menschen ungefährliche Tierseuche durch Insekten, so genannte Gnitzen. Derzeit breitet sich der Virus rasend schnell in ganz Deutschland aus. Vor allem Schafhalter sind betroffen, weil die Tiere die Erkrankung meist nicht überleben. Über 700 Tiere hat Becker in seiner Herde. Fast täglich kommt ein krankes Tier hinzu. Vor allem trächtige Muttertiere sind anfällig. "Vorgestern war das da noch gesund", sagt Becker und zeigt auf ein Schaf, das fast regungslos, aber schwer atmend im Stall liegt. Aus dem Maul des Mutter-Tieres läuft unablässig Speichel. Ein anderes Tier liegt draußen unter einem Scheunendach auf Stroh. Es röchelt. Nebenan: Zehn Lämmer. In einem anderen Stall stehen noch zwölf. Becker muss sie mit der Flasche groß ziehen, ihre Mütter sind gestorben oder liegen im Sterben. 160 Flaschen mit Spezialmilch braucht er am Tag. Und das geht ins Geld. Wie die Medikamente für die kranken Tiere. Rund 50 Euro kostet die Behandlung pro Tier. Becker ist sauer. "Keiner hilft uns, wenn ein Schaf elendig verreckt. Die schauen zu, wie alle unsere Tiere kaputt gehen", schimpft er. Mit "die" meint er das Mainzer Umweltministerium und die Bundesregierung in Berlin. Mainz verharmlose nur. Vergangene Woche hat es aus dem Umweltministerium geheißen, dass bislang rund 500 Schafe und Ziegen im Land wegen der Blauzungenkrankheit verendet oder eingeschläfert worden seien. "Das ist falsch", sagt Becker. Er wisse allein aus der näheren Umgebung von über 200 toten Schafen. Und Berlin tue nichts, um die Seuche einzudämmen. Noch immer gebe es keinen Impfstoff. Im Gegensatz zu den Niederlanden und Belgien hat Deutschland bei der EU noch keinen Antrag auf vorbeugende Impfung von Rindern, Schafen und Ziegen gestellt. Die Bitburger Grünen-Bundestagsabgeordnete Ulrike Höfken, selbst Ziegenzüchterin, fordert daher, umgehend ein Impfprogramm zu entwickeln. Die Lage bei den Schaf- und Ziegenzüchtern sei dramatisch. Die Landesregierung müsse umgehend einen Krisenstab einrichten, so die Politikerin.

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