"Tierstall" für 29 Millionen Euro

MAINZ. Mehr als 29 Millionen Euro soll der geplante Bau einer neuen Tierversuchsanlage an der Mainzer Universität kosten. Gegner protestieren, die Grünen befürchten eine steigende Zahl von Versuchen und der Landestierschutzbeirat fordert einen Lehrstuhl für Alternativmethoden.

Der "Verbrauch" von Tieren zu Forschungszwecken ist bei den Mainzer Wissenschaftlern immens: 49 000 Mäuse, 2500 Ratten, je 50 Meerschweinchen und Hamster, 100 andere Nager sowie 150 Kaninchen und 50 Amphibien mussten im vergangenen Jahr ihr Leben für die Forschung lassen. Dafür hat die Universität einen ausgezeichneten Ruf auf den Feldern der Biomedizin und der Tumorabwehr. Und weil nach Angaben von Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner (SPD) "zur Entwicklung innovativer Therapien" auf absehbare Zeit nicht auf Tierversuche verzichtet werden kann, soll ein neues Versuchslabor eine optimale Versorgung und artgerechte Unterbringung gewährleisten. Das "Neubauvorhaben Tierstall", das im Herbst starten soll, wird samt Ersteinrichtung 29,1 Millionen Euro kosten und je zur Hälfte von Bund und Land finanziert. Das Haus soll nicht nur 25 000 Mäuse und Ratten sowie rund 100 Kaninchen aufnehmen, sondern laut Universitätspräsident Jörg Michaelis auch bessere Forschungsbedingungen durch eine "Hochhygiene-Haltung" der Nagetiere mit moderner Barrieretechnologie sicherstellen. Damit kann vor allem verhindert werden, dass die wissenschaftliche Zuverlässigkeit der Arbeiten an den Versuchstieren nicht durch unbeabsichtigte Infektionen gestört wird. Der Verzicht auf Tierversuche bedeute eine unverantwortbare Verlangsamung der medizinischen Forschung und schmälere die Heilungschancen kranker Menschen bei Krebs, Alzheimer oder Herzinfarkt, so Michaelis. Tierversuchsgegner melden dennoch heftigen Protest an und bezweifeln, dass im Tierlabor Erkenntnisse gewonnen werden, die dem Menschen wirklich nützen. Der Verein "Menschen für Tierrechte" bezeichnet die teure Investition als Skandal, weil Tierversuche nicht nur "unethisch, sondern auch unwissenschaftlich und damit rückständig" seien. Die Grünen im Landtag fürchten, dass mit dem Vorhaben die Zahl der Tierversuche weiter steigt statt sinkt. Leiser fällt die Kritik des offiziellen Landestierschutzbeirates aus, der einen Lehrstuhl für alternative, tierversuchsfreie Forschungsverfahren fordert. Die neue Anlage verbessert aus seiner Sicht möglicherweise die Versuchstierhaltung, verschärft allerdings auch das ohnehin bestehende Ungleichgewicht zugunsten der Forschung mit den umstrittenen Experimenten. Weil die tierversuchsfreie Forschung an den meisten Universitäten ein Schattendasein friste, würden die Studenten einseitig ausgebildet und geprägt, bemängelt Beiratsvorsitzender Helmut Stadtfeld. Doch, ob es zu einem Lehrstuhl für Alternativmethoden kommt, ist höchst fraglich. Im vergangenen Jahr standen 80 000 Euro zur Entwicklung solcher Verfahren bereit - und wurden nicht abgerufen.

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