Titanic-Bedingungen im seichten Gewässer

MAINZ/STRASSBURG. Durch neue Sicherheitsvorschriften sollen Personenschiffe auf Binnengewässern hochseetauglich werden. Bei den Fahrgastbeförderern stößt das Vorhaben auf wenig Verständnis.

"Der größte Unsinn aller Zeiten." Hans Michels, Betreiber von sechs Personenschiffen, hat für das geplante Vorhaben der Zentralkommission für Rheinschifffahrt (ZKR) wenig Verständnis. Bei ihrem Herbstplenum in Straßburg Ende November will die Kommission neue Sicherheitsregeln festlegen. Personenfahrgastschiffe, die auf dem Rhein verkehren, müssen dann ähnliche Sicherheitsvoraussetzungen erfüllen wie Hochseeschiffe. Reichte es bisher aus, dass Schiffe schwimmfähig sein mussten, wenn nach einer Havarie eine der Schotten beschädigt war und voll Wasser lief, muss dies künftig auch bei zwei defekten Luftkammern gewährleistet sein. Nach Angaben der Versuchsanstalt für Binnenschiffbau in Duisburg würde die Anpassung je nach Alter und Größe zwischen 370 000 und 500 000 Euro pro Schiff kosten. Nun könnte es Michels eigentlich egal sein, welche Verordnungen künftig auf dem Rhein gelten, verkehren seine Schiffe doch fast ausschließlich zwischen Bernkastel und Traben-Trarbach, also auf der Mosel. Doch was nach Willen der ZKR schon bald für den Rheinverkehr Pflicht sein soll, wird möglicherweise auch auf die übrigen Binnengewässer Einfluss haben. Denn die Europäische Union beabsichtigt, die neue Richtlinie auf alle anderen europäischen Flüsse und Kanäle zu übertragen. "Ungefähr 60 Prozent der jetzt bestehenden Flotte würde das nicht überstehen", sagt Doris Bommas-Collée von der Vereinigung mittelständischer Personenschifffahrt, "nur weil Standards übernommen werden sollen, die auf hoher See gelten." Vier Meter seien die Schotten der Personenschiffe in der Regel lang. Wie es überhaupt zu einer Beschädigung von zwei der Kammern kommen soll, kann sie sich nur schwer vorstellen. "Natürlich ist die Gefahr in seichten Gewässern größer, am Flussgrund aufzusetzen", sagt Bommas-Collée, doch dann könne das Schiff ohnehin nicht mehr weiter sinken.Rheinland-Pfalz spielt nicht mit

Derweil bereitet Rheinland-Pfalz eine Bundesratsinitiative gegen die neuen Sicherheitsvorschriften für Fahrgastschiffe vor. Die Regelungen seien zum Teil stark überzogen, sagt der Mainzer SPD-Generalsekretär Roger Lewentz. Es gebe natürlich im Rahmen der Neuverordnung auch sinnvolle Änderungen wie den Einbau eines zweiten Antriebssystems, meint Lewentz, doch andere, wie beispielsweise die Ausstattung mit riesigen Rettungsflößen, hält auch er für unangemessen. Diese Flöße, in denen bis zu 125 Menschen Platz haben und die in Flüssen kaum manövrierfähig sind, müssten Schiffsbetreiber sich nach ZKR-Willen dann zulegen, wenn sie bis 2010 nicht auf das neue Schottensystem umgestellt haben. Für die Hälfte der Passagiere wäre dann kein Platz mehr auf den Schiffen, sagt Michels, von den Kosten ganz zu schweigen. Das Kurioseste ist aber aus Sicht von Doris Bommas-Collée die lange Übergangsfrist bis 2045. Erst dann müssen alle Schiffe endgültig um- oder neugebaut sein. "Wenn die Gefahr in Binnengewässern wirklich so groß ist, sind 40 Jahre schon ein langer Zeitraum."

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