Tote Gänse am Baggersee

NEUWIED. (ck/qm) Der Baggersee im Neuwieder Stadtteil Heimbach-Weis ist eine kleine Idylle. Doch nun ist die Ruhe vorbei. Jugendliche entdeckten dort etliche tote Graugänse. Die Bevölkerung reagierte geschockt.

Sie wollten eigentlich nur Enten füttern. Doch als die drei Jugendlichen aus dem Neuwieder Stadtteil Heimbach-Weis am Montag kurz nach 15 Uhr zu dem idyllischen Baggersee am Gewerbegebiet "Wasemweg" kommen, bietet sich ihnen ein grausiges Bild: Mehr als ein Dutzend Graugänse und Stockenten schwimmen kopfüber in dem Gewässer oder kämpfen um ihr Leben. "Die haben gekrampft, sind immer wieder untergetaucht", erzählt der 15-jährige Marco Berger aus Heimbach-Weis. Ihn und seine Freunde Mike Blum und Karsten Jehle (beide 14) packt die Neugier: Sie wollen sich das Federvieh aus der Nähe ansehen. "An Vogelgrippe haben wir nicht gedacht", sagt Karsten Jehle.Schnell wollen die Jugendlichen Hilfe holen. Auf halbem Weg treffen sie Paul Rausch, der in dem Gewerbegebiet einen Betrieb für Fußbodenbau hat. Er geht gerade mit seinem Hund zum See. Täglich schaue er dort nach dem Rechten, erzählt er. Als der Firmeninhaber ans Ufer kommt, ist der Überlebenskampf der Gänse noch nicht beendet. "Die sind immer wieder untergetaucht und haben versucht, Wasser zu trinken. Das habe ich bei Gänsen noch nie gesehen", erinnert er sich.

Gegen 16.30 Uhr wird zunächst die Polizei Neuwied, dann die Feuerwehr in Heimbach-Weis alarmiert. Mit Schutzanzügen ausgerüstet, verstauen die Kameraden die Kadaver in Transportboxen, die sofort ins Landesuntersuchungsamt nach Koblenz gebracht werden. Vor Ort ist auch ein Mitarbeiter des Kreis-Veterinäramtes. Als der Kreis-Mitarbeiter sieht, wie einige Vögel immer noch mit dem Tod kämpfen, ruft er den Jagdaufseher Anton Scherer an. Der Engerser Jäger erlöst vier Tiere mit mehreren Schüssen. Am späten Abend meldet die Polizei: "Verendete Zugvögel in Neuwied!".

Am Tag darauf finden zwei weitere Jugendliche aus Heimbach-Weis erneut ein totes Tier. Längst macht das Gerücht eines ersten Vogelgrippe-Falls die Runde, in der Stadt gibt es kaum ein anderes Gesprächsthema. Die Gans liegt nur wenige 100 Meter entfernt vom See auf einem Acker. Ein Fuchs hat mittlerweile seine Biss-Spuren an der toten Gans hinterlassen. Am Gewässer beschlagnahmen Polizei und Feuerwehr einen Laib und mehrere Stücke Brot. Es soll geprüft werden, ob die Gänse damit vergiftet wurden, bestätigt Stadtsprecher Erhard Jung. "Es gibt Indizien, die gegen die Vogelgrippe sprechen", sagt er. "Die Art und Weise, wie die Vögel gestorben sind, lässt eher auf einen Tod durch Gift schließen."

Dringlichkeitssitzung im Kreishaus

Entlang des Ufers suchen zwei Polizisten derweil erfolglos nach weiteren Kadavern, während sich oberhalb des Gewässers zahlreiche Fernsehteams postieren. Gegen 11.30 Uhr fährt Kreis-Amtstierärztin Dr. Uda Erbe vor, zieht sich einen blauen Schutzanzug über und geht zu der verendeten Gans auf dem Acker. Verpackt in einem Plastiksack landet das Federvieh in einer Box. Bevor sie die nach Koblenz bringt, geht Uda Erbe zusammen mit den Polizisten noch mal an den See, inspiziert das Gelände. Wenig später marschiert die Veterinärin kommentarlos an den wartenden Journalisten vorbei und fährt in Richtung Koblenz ab.

Zur gleichen Zeit beruft Landrat Rainer Kaul eine Dringlichkeitssitzung im Kreishaus ein: Landrat, Bürgermeister, Katastrophenschutz, Gesundheitsamt, Veterinäre, Ordnungsamt, Feuerwehr und andere Experten sitzen zusammen. "Wir haben Anzeichen, dass es nicht Symptome der Vogelgrippe sind", sagt Kaul nach dem Expertengespräch. "Mein Ehrgeiz hält sich in Grenzen, der Landrat in Deutschland zu sein, in dessen Kreis die Vogelgrippe ausbricht." Auch Wasserproben haben Mitarbeiter des Kreises genommen. Das bestätigt Hans-Ludwig Voigt von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord in Koblenz. Damit solle sichergestellt werden, dass die Gänse nicht durch Verunreinigungen in dem Kiessee gestorben sind, erläutert Voigt.

Im Auge haben die Behörden auch die Gesundheit der eingesetzten Wehrleute. Schutzanzüge waren Pflicht: "Schließlich müssen wir immer vom Schlimmsten ausgehen", erklärt Wehrleiter Heinz-Werner Ernert.

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