Trier besser als sein Ruf

TRIER. Wie familienfreundlich ist die Region? Nachdem derTV den bundesweiten Familienatlas veröffentlicht hat, wird diese Frage diskutiert. Der Trierer Soziologe Bernd Hamm sagt, die Region ist familienfreundlich, könnte aber noch mehr dafür tun.

Familienfreundlichkeit mache sich nicht nur an den "Aufbewahrungsmöglichkeiten" für Kinder fest. Die Forderung nach mehr Betreuungsplätzen werde nur den Bedürfnissen der berufstätigen Eltern, nicht aber unbedingt denen der Kinder gerecht, sagt der Trierer Soziologe Bernd Hamm. Ein besseres Hortangebot sei immer eine Notlösung. "Viele Eltern würden lieber mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen." Mehr Betreuung sei für Alleinerziehende und untere Gehaltsklassen zwar wichtig, aber allein damit werde kein familienfreundliches Klima geschaffen. Daher greift ihm der Familienatlas, den das Meinungsforschungsinstituts Prognos erarbeitet hat (TV vom 28. Januar), zu kurz. Gute Lebensbedingungen für Familien definieren sich laut Hamm nicht nur an der Möglichkeit, wohnortnahe Arbeitsplätze zu finden, sondern auch an dem Angebot an bezahlbaren Wohnungen und einem guten Personennahverkehr. Vor allem in dieser Hinsicht sei die Region nicht sehr familienfreundlich. Hauptkritikpunkt: Zu teuer. Trotzdem lasse es sich "im Großen und Ganzen" gut in Eifel-Mosel-Hunsrück leben, sagt Hamm. "Es gibt einige familienfreundliche Aspekte bei uns, auch wenn im Einzelnen immer was verbesserungsfähig ist." Die Region sei geprägt, durch traditionelle Familienstrukturen. Viele, die auf dem Land wohnten, blieben in ihrem Dorf oder zögen höchstens in die nähere Umgebung. Jüngere Familien "flüchteten" aus den größeren Städten, vor allem aus Trier, ins Umland. Davon profitiere vor allem der Kreis Trier-Saarburg: Bereits in der Vulkan-Eifel Richtung Daun verliere das Oberzentrum an Anziehungskraft. Trier sei aber besser als sein Ruf. Auch wenn die Stadt eine niedrige Geburtenrate habe, sei das Angebot für Familien dort nicht schlecht, auch die Wohnungspreise seien im Vergleich zu anderen Großstädten niedriger. Daher könne man nicht, wie im Familienatlas geschehen, Trier mit Städten wie Baden-Baden oder München vergleichen.Regionales Bewusstsein notwendig

Hamm fordert ein größeres regionales Bewusstsein. Familienfreundlichkeit lasse sich nicht innerhalb kommunaler Grenzen schaffen. "Wir müssen weg von dem ständigen Blick nach außen, wie man die Wettbewerbsfähigkeit verbessern kann. Es muss darüber nachgedacht werden, wie die Region von innen heraus überlebensfähig gemacht und stabilisiert werden kann." Man müsse mehr dafür tun, dass die Familien in der Region bleiben und nicht abwandern. Der Soziologe glaubt aber nicht, dass damit automatisch auch die Geburtenrate steigt. Die Diskussion über die Notwendigkeit, mehr Kinder in die Welt zu setzen, hält er für "hysterisch". "Was ist daran so schlimm, wenn die Bevölkerung abnimmt? Wir sind doch eh schon viel zu dicht besiedelt." Mit mehr Kinderbetreuungsplätzen und mehr Gewerbegebieten schaffe man bei den Paaren nicht automatisch mehr Lust auf Kinder.

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