Porträt Hoch hinaus: Ein Trierer Jung‘ verändert die Frankfurter Skyline

Trier · Architekt Tom Meurer hat soeben eins der höchsten und modernsten Hochhäuser Deutschlands vollendet. Auch für seine Heimatstadt Trier präsentierte er einst spannende Pläne. Unsere Redakteurin hat ihn an einem Ort getroffen, der ganz anders aussehen könnte.

Architekt Thomas Meurer entwirft Tower One in Frankfurt
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Spektakulärer Wolkenkratzer: Tower One

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Foto: TV/Klaus Helbig

Rückwärts quält sich ein LKW brummend und piepend durch die Fußgängerzone in der Trierer Glockenstraße, bis er endlich auf dem asphaltierten Rindertanzplatz angekommen ist. Ein Platz, der wirkt, als hätten die Zeit und die Stadt ihn komplett vergessen.

Dort steht Thomas Johannes Meurer, kurz: Tom. Ein Mann in schwarzer Winterjacke, mit grauen Haaren und grauen Augen, die vor Begeisterung sprühen, wenn er über Architektur spricht. Oder über das, was ihn an seiner Heimatstadt Trier fasziniert.

Nun schaut der Wahl-Frankfurter allerdings skeptisch drein. „Hier hat sich fast gar nichts verändert“, sagt der Architekt, Stadtplaner und Hochschul-Professor – und blickt sich um. Bis 1982 hat er in Trier gelebt – oder genauer: in Mertesdorf, Ruwer und Kenn. Am nahe gelegenen Max-Planck-Gymnasium machte er sein Abitur, belegte dann noch einige Kurse an der europäischen Kunstakademie, eher er zur Bundeswehr ging und die Stadt Richtung London fürs Studium verließ.

 Der Wolkenkratzer namens One prägt nun die Frankfurter Skyline.

Der Wolkenkratzer namens One prägt nun die Frankfurter Skyline.

Foto: TV/Klaus Helbig

Was Meurer missfällt: Wie schon damals gehört der Rindertanzplatz den Autos. Sie parken unter Platanen. Sie blockieren den Blick auf die imposante Hofanlage des Domherren – die „Kurie zur Eiche“. Sie belagern den Straßenrand. Dabei könnte Trier hier – wo die schmale Sieh um Dich-Gasse an hohen Mauern vorbei Richtung Dom führt – so pittoresk sein. Zumal die Türme des Weltkulturerbes die ganze Szenerie bekrönen.

Wenn es nach Tom Meurer gegangen wäre, dann sähe dieser Platz seit 1999 grundlegend anders aus. Oder eher: die Plätze. Der Architekt entfaltet mehrere Din A3-Blätter, die zeigen, welche Entwürfe er der Stadt damals präsentierte.

Ein Trierer Hotelier – in dessen Biergarten 2022 das Gartenrestaurant „The Benedict“ eröffnete – wollte damals das „Domhotel“ an das denkmalgeschützte Haus Fetzenreich anbauen lassen. Ein modernes fünf-Sterne-Haus mit großem Wellnessbereich, für das Meurer Pläne entwarf. Auch eine mehrstöckige Tiefgarage und eine unterirdische Turnhalle waren Teil des Ganzen. Im Auftrag der Stadt Trier sollten zudem die Plätze am Hotel, vor der Kurie und vor der Welschnonnenkirche neu gestaltet werden. Die Autos wären verschwunden, neue Bäume und junges Grün hinzugekommen, das Gelände vor den Mauern der Kurie hätte Meurer mit Sitzstufen abgesenkt. Auch für die archäologischen Funde, die in den Baugruben zweifellos zutage gekommen wären, hatte er schon Ausstellungsflächen bedacht. An diesen Plätzen, davon ist er überzeugt, hätten Menschen sich gerne aufgehalten. Doch dann starb das Projekt. „Irgendwann hat den Hotelier die Traute verlassen, dass das finanzierbar wäre“, sagt Meurer, der stattdessen zahlreiche Gebäude im Rest der Republik realisierte und in Frankfurt Karriere machte. Während aus seinen Zeichnungen andernorts Kitas, Stadthäuser, Firmensitze oder ganze Wohnquartiere erwuchsen, verfolgte er interessiert, wie sich seine Heimatstadt wandelte.

 Der Wolkenkratzer namens One prägt nun die Frankfurter Skyline. Architekt Thomas Meurer bezeichnet sich selbst als "Trierer Jung", auch wenn er schon lange am Main lebt.

Der Wolkenkratzer namens One prägt nun die Frankfurter Skyline. Architekt Thomas Meurer bezeichnet sich selbst als "Trierer Jung", auch wenn er schon lange am Main lebt.

Foto: TV/Klaus Helbig

Wirklich gelungen finde er das, was nach der Landesgartenschau am Petrisberg entstand, erzählt er etwas später im Café Razen. Erschreckt habe ihn an diesem Morgen hingegen, was die Zurmaiener Straße – die doch das Erste ist, was viele Reisende von Trier zu sehen bekommen – ihm mit Gewerbebauten, Jugendherberge und „willkürlich platzierten“ Wohnblocks zeigte. „Das ist Kraut und Rüben. Da bietet die Stadt kein gutes Bild.“

Was ihm in Trier nicht möglich war, hat er gemeinsam mit seiner Frau, der Architektin Kristina Meurer, und seinem Team in Frankfurt umgesetzt: Nämlich das Bild der neuen Heimatstadt am Main maßgeblich mitzugestalten. Nicht nur, weil sein Büro das neue Stadthaus planen durfte, sondern vor allem wegen des im Herbst eröffneten spektakulären Hochhauses namens „One“, das nun die Frankfurter Skyline prägt. „Es ist mit 190 Metern und 49 Geschossen das sechsthöchste in Deutschland“, berichtet der 60-Jährige stolz und wirkt in seiner Begeisterung fast jungenhaft, während die grauen Augen strahlen. Auch bei den Kosten dürfte dieses Haus mit einer halben Milliarde Euro ziemlich weit vorne liegen. Da sei die Frage, ob man den Investor dazu bekommt, einen zu beauftragen, schon spannend. Ebenso wie die Frage, was solch ein Wolkenkratzer eigentlich können muss. Ein Jahr lang habe er mit dem Investor darüber philosophiert. Schnell war klar, was es nicht sein soll: ein klassisches Hochhaus, genutzt nur von einem Kunden, wo Gästen im Foyer glatte Eiseskälte entgegenschlägt – hinter dem Tresen eine gut gekleidete Dame, deren Blick klar sagt, dass unerwartete Besucher schnell wieder verschwinden sollten.

Stattdessen wollte Meurer ein „urbanes Hochhaus“ haben, in dem zahlreiche Nutzer zusammenfinden, mit Bars, Cafés und gemütlichen Sesseln in der Lobby, die auch zufällige Passanten zum Verweilen einladen. Nachhaltig sollte es sein und neue Maßstäbe bei Energieeffizienz und Digitalisierung setzen.

Trier: Frankfurter Architekt Tom Meurer und sein Hochhaus One
Foto: TV/Klaus Helbig

Entstanden ist der Tower „One“, der schlichtweg so heißt, weil das Grundstück die Nummer 1 hatte und – wie Meurer unserer Zeitung exklusiv verrät – nur zufällig auch wie die Zahl 1 aussieht. Eigentlich habe sein Büro bei den vorstehenden Geschossen im oberen Teil des Hochhauses nur mit den Trapezformen gespielt, die auch die benachbarten Gebäude kennzeichnen. Durch Zufall sähen Betrachter in dem Gebäude nun eine 1. „Das wissen noch nicht einmal die Fachjournalisten“, sagt der Planer und lacht. Fürs Marketing war der Zufall ein Glücksgriff, sind Slogans wie „One good idea“ oder „One good hotel“ doch eingängig.

Wie kein zweites Hochhaus in Frankfurt setze One „einen neuen Standard für Offenheit, Agilität, Vernetztheit und Teamwork“, wirbt der Investor CA Immo. Untergebracht sind auf den 88.000 Quadratmetern neben diversen Firmen nämlich auf fünf Etagen auch Coworking-Spaces, Konferenzräume, ein Restaurant, ein Hotel sowie eine – und das ist bei Wolkenkratzer keineswegs selbstverständlich – für jedermann zugängliche Skybar, der die FAZ Anfang Dezember ihre Genuss-Seite widmete. Inspiration für dieses Gebäude fand Meurer unter anderem bei Bauten von Rem Koolhaas in Rotterdam.

Aber ist es nach 9/11 nicht auch unheimlich, einen solchen Tower zu bauen? Daran gedacht habe er zwar, räumt der Frankfurter ein. „Aber Angst war nie im Spiel.“ Die Türme in New York seien ein Symbol gewesen. „One“ gebe hingegen kein Ziel ab.

Mulmiger war es da schon, in Wind und Wetter mit Außenaufzügen am Rohbau hinaufzurattern. „Da darf man nicht nach unten gucken“, sagt der Architekt, der auch stolz darauf ist, wie energiesparend das Gebäude ist. 1600 digitale Wärmesensoren zeigen an, wo sich Personen befinden, sodass Klimatisierung und Heizung optimal zu steuern sind.

Und damit wäre er auch bei der Antwort angelangt auf die Frage, welche Philosophie seine Architektur verfolgt. „Wir müssen uns bewusst machen, dass Nachhaltigkeit keine Wahlmöglichkeit ist, sondern dass man das in jedem Gebäude umsetzen muss“, betont er. Der Bausektor verursache 40 Prozent der CO2-Emissionen. „Wir haben da eine besondere Verantwortung.“

Die Frage sei nur: „Wie kriege ich die Leute, die bestellen, dazu, dass sie das auch wollen?“ Mal klappe das, mal nicht. Ebenso wichtig ist es ihm, „wertige Gebäude“ zu schaffen. Solche, die überdauern. Solche, die aus Respekt nicht mit Graffiti besprüht werden. „Wie diese Kirche“, sagt er und zeigt durch das Fenster des Cafés auf die Welschnonnenkirche. „Die steht nur deshalb noch da, weil sie wertig ist.“

Obwohl sein Vater gestorben ist und seine Mutter inzwischen auch in Frankfurt lebt, kommt Meurer als Hochschullehrer noch regelmäßig nach Trier. Nicht nur, weil er die Stadt und ihre im Vergleich zu Frankfurt so gemütliche Lebensart liebt.

Sondern auch, um Bachelor-Arbeiten vorzubereiten. Oder, um seinen Studenten etwas zu zeigen, was er einzigartig findet. Und wieder strahlt er vor Begeisterung, während er zum Stift greift, das quadratische römische Straßenmuster Triers skizziert, darüber ein paar geschwungene Linien für die mittelalterlichen Routen, die noch heute das Zentrum prägen und dann ein paar Kringel, darunter einer für den Dombering. „Das ist doch was für Hollywood!“, sagt er – was aus einer Metropole mit Zigtausenden Einwohnern wurde. „Die römischen Gebäude waren kaputt und darauf haben sie dann Dörfer gebaut und mit Beringen geschützt. „Trier hat eine ganze Stadt unter der Stadt. Das ist faszinierend“, findet der Architekt.

Auch über Mauern, Wände und Durchblicke könne er seinen Studenten rund um den Dom viel beibringen, sagt er – wieder draußen auf dem Rindertanzplatz mit Blick Richtung Dom. Was schaue man da plötzlich in Paradiesgärten, wenn irgendein Kleriker mal vergessen habe, die Türe zu schließen. „Mauern sind super spannend“, findet Meurer.

 Architekt Thomas Meurer hat einen der spektakulärsten Wolkenkratzer Deutschlands entworfen. Er bezeichnet sich selbst als „Trierer Jung“, auch wenn er schon lange am Main lebt.

Architekt Thomas Meurer hat einen der spektakulärsten Wolkenkratzer Deutschlands entworfen. Er bezeichnet sich selbst als „Trierer Jung“, auch wenn er schon lange am Main lebt.

Foto: TV/Katharina de Mos

Mauern, Türme, Erker ... Was gäbe es da auf diesem Platz zu gucken! Wäre es nicht ein Ort voller Autos, an dem Menschen nur vorbeihasten, statt zu verweilen und die Aussicht auf alte Gemäuer zu genießen. Hätte man den Architekten nur mal machen lassen...

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