Extremismus Trierer Experte warnt vor Radikalisierung von Querdenkern

Trier/Mainz · Nach der Festnahme von mutmaßlichen Lauterbach-Entführern warnt das Innenministerium vor aggressiver werdenden Staatsfeinden. Auch in der Region Trier gibt es Hinweise auf Gewaltaufrufe.

Trierer Experte warnt vor Radikalisierung von Querdenkern
Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Im Mainzer Innenministerium betrachtet man die zunehmende Radikalisierung sogenannter Reichsbürger mit Sorge: „Ihr aggressives Auftreten insbesondere gegenüber staatlichen Bediensteten und nicht zuletzt die in diesen Kreisen wahrnehmbare Waffenaffinität stellen Gefahrenpotenziale dar“, sagte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage unserer Redaktion.

Vor Ostern wurden bei einer bundesweiten Razzia Mitglieder einer rechtsextremistischen Chat-Gruppe namens „Vereinte Patrioten“ festgenommen, die die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und einen Umsturz geplant haben. Die Gruppe soll den Ideen der Reichsbürgerbewegung nahestehen. Einer der Hauptverdächtigen, der aus dem rheinland-pfälzischen Neustadt an der Weinstraße stammt, soll Corona-Leugner sein. Im Internet soll er Corona-Maßnahmen mit einer Diktatur verglichen und behauptet haben, die Pandemie sei eine Kriegserklärung.

Für den Trierer Politikwissenschaftler Markus Linden sind die Radikalisierung der Corona-Leugner und deren offenkundiger Zusammenschluss mit Reichsbürgern keine Überraschung: „Der an den Haaren herbeigezogene Diktatur-Vergleich führt dazu, dass einige AnhängerInnen der Querdenkerszene sich in einer Notwehrsituation sehen und Gewalt als Mittel ansehen.“ Auch in der Region gebe es dafür Belege, sagte Linden.

So sei einer auf einer Anti-Corona-Demonstration im Januar in Trier eine Hetzrede bejubelt worden, in der mit Verweis auf den Widerstand von Sophie Scholl von „kleinen Schurken“, „Denunzianten“ und „Verbrechern“ die Rede gewesen sei. Laut Linden seien auch Namen von Personen genannt worden, die mit den Corona-Maßnahmen in Verbindung stünden und die Demonstranten seien dazu aufgerufen worden, dafür zu sorgen, dass keiner davon entkomme. „Solche Aufrufe wollen einige in die Tat umsetzen“, sagt Linden, der in jüngster Zeit auch eine Verbindung der Querdenkerszene mit Befürwortern des Angriffs- und Vernichtungskrieg Russlands in der Ukraine beobachtet.

Im Verfassungsschutzbericht 2020 wurden landesweit rund 700 Personen gezählt, die dem Reichsbürger- und Selbstverwalter-Spektrum zugerechnet werden können, etwa 100 davon gelten als gewaltorientiert. Ende 2021 wurden in der Region 156 Personen den Reichsbürgern zugeordnet. Radikalisierungstendenzen seien stets ein erhöhtes Gefahrenpotenzial für die innere Sicherheit, sagt die Ministeriumssprecherin.

Extremismus, insbesondere der Rechtsextremismus sowie die Radikalisierung von Extremisten seien eine ständige Herausforderung „für Staat, die Sicherheitsbehörden und die Gesellschaft insgesamt“. Das Land fahre eine „Null-Toleranz-Linie“. Innenminister Roger Lewentz (SPD) sagte nach der Festnahme von Mitgliedern der „Vereinten Patrioten“: „Wir dulden keine rechten Gewalttäter und Verfassungsfeinde.“

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