Trierer Prozess: Im Anzug statt in Rocker-Kutte

Trier · Ein 56-jähriger Kaiserslauterer, Mitglied der Rockerbande Hells Angels, muss sich seit gestern vor dem Trierer Landgericht verantworten. Er soll ein Ex-Mitglied der Bande eingeschüchtert haben, als diesem gegen seinen Willen die Banden-Tatöwierungen übertätowiert wurden.

 Hells Angels.

Hells Angels.

Foto: R. Wittek/Archiv

Er sieht nicht aus wie das typische Mitglied der Rockerbande Hells Angels. Statt in Lederjacke und schwarzem T-Shirt erscheint der 56-Jährige im schwarzen Anzug und weißem Hemd. Weil er aber, wie er selbst sagt, Vollmitglied der "Hells" ist, hat der Vorsitzende Richter Armin Hardt vorsichtshalber erhöhte Sicherheitsmaßnahmen angeordnet - aus Sorge, dass eventuell anwesende Mitglieder des Motorradclubs für Ärger im Gerichtssaal sorgen könnten. Alle Zuschauer müssen daher durch eine Sicherheitsschleuse wie am Flughafen, ihren Ausweis vorzeigen und ihre Jacken und Handys abgeben.
Doch statt meist bärbeißig dreinschauenden, oft tätowierten Kuttenträgern mit Hells-Angels-Abzeichen auf der Lederjacke sitzen im voll besetzten Zuschauerraum des Gerichtssaals junge, adrett gekleidete Jura-Studenten.Dem 56-jährigen Kaiserslauterer wird vorgeworfen, im Mai vergangenen Jahres dabei gewesen zu sein, als einem aus dem "Club" ausgetretenen 48-jährigen Saarländer in einem Trierer Tattoo-Studio gegen dessen Willen alle Hells-Angels-Tattoos schwarz übertätowiert wurden. Der Angeklagte, der zu der Zeit als Prospect, also Probemitglied, auf der untersten Stufe der Hierarchie der Rockerbande war, soll das Opfer eingeschüchtert und die Situation kontrolliert haben.
"Ich war dabei", sagte der 56-Jährige, der in Kaiserslautern zwei Kioske betreibt, gleich zu Beginn des Prozesses. Er habe aber den Saarländer, den er als seinen Freund bezeichnet, nicht eingeschüchtert, beteuert der Angeklagte, der nicht in Untersuchungshaft ist. Auch die Tätowiererin und deren Lebensgefährte, selbst Mitglied der Hells Angels, behaupten das. Er habe den Saarländer, der im Clinch mit einigen an der Spitze des Motorradclubs stehenden Mitgliedern lag, in das Tattoo-Studio bestellt.
Der 56-jährige Kaiserslauterer habe als Prospect ein führendes Mitglied nach Trier fahren müssen, das die Aktion überwachen sollte, habe aber nichts von dem Plan gewusst. Man habe ihn zum Essenholen in ein Schnellrestaurant geschickt, und er sei, weil er sich verfahren habe, nach ein bis zwei Stunden wieder gekommen und habe von der Zwangstätowierung nichts mitbekommen, sagt der Lebensgefährte der Tätowiererin.
Beide wurden im vergangenen Jahr für die Tat zu Bewährungsstrafen verurteilt. Auch das Opfer, dem an den Armen und am Hals die typischen Hells-Abzeichen noch heute sichtbar schwarz übertätowiert wurden, sagte, dass der Kaiserslauterer nicht anwesend gewesen sei. Das ehemalige Opfer sitzt derzeit wegen Drogenhandels im Gefängnis. Der Prozess wird am 10. Oktober fortgesetzt. Dann soll das Urteil verkündet werden.

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