Trotz Heimvorteils auf der Verliererseite

WITTLICH. Der Heimvorteil nutzte nichts: Der Salmrohrer Bundestagsabgeordnete Peter Rauen ist auf einem Parteitag in Wittlich als langjähriger CDU-Bezirkschef entthront worden. Herausforderer Michael Billen siegte klar.

Betrieb wie auf dem Metzer Bahnhof. Vor dem Einschreibetisch für die Delegierten im Wittlicher Tagungshotel Lindenhof hat sich am Samstagmorgen eine lange Schlange gebildet. "Wo werden denn hier die Wetten angenommen", fragt scherzhaft der langjährige Dauner CDU-Kreisvorsitzende Günther Wollscheid. Fröhliches Gelächter um den CDU-Altvorderen herum.Tagungs-Saal platzt aus allen Nähten

Doch so locker und gelöst sind längst nicht alle an jenem Morgen. Kein Wunder: Der mit exakt 8296 Mitgliedern kleinste der drei CDU-Bezirke im Land will an diesem Tag einen neuen Vorsitzenden wählen. Eigentlich reine Routine, gäbe es dieses Mal nicht eine kleine Besonderheit: Amtsinhaber Peter Rauen, vor 14 Jahren in Orenhofen/Eifel selbst durch eine Kampfkandidatur gegen den damaligen Landtagsabgeordneten Christoph Böhr an die Vorstandsspitze aufgerückt, ist nicht der einzige Bewerber. Rauens Herausforderer, der Landwirt Michael Billen, läuft derweil mit leicht gespielter Lässigkeit durch den Vorraum, nimmt den ein oder anderen Delegierten beiseite, zieht letzte Strippen. Als Peter Rauen um 13 Minuten vor zehn Uhr den Parteitag eröffnet, platzt der Saal aus allen Nähten. Exakt 241 Delegierte drängen sich in dem Raum, nur neun weniger als von den fünf Kreisverbänden gemeldet. Bernkastel-Wittlich (56 Delegierte), Bitburg-Prüm (56), Daun (30) und Trier-Stadt (40) sind komplett, heißt es; nur aus dem mitgliederstärksten Kreis Trier-Saarburg werden Delegierte vermisst. Ein möglicher Vorteil für einen der beiden Kandidaten? Unter den Anwesenden wird eifrig spekuliert, doch wirklich schlauer ist anschließend keiner. Trier-Saarburgs Kreischef und Möchtegern-Landrat Günther Schartz steht zwar eindeutig auf der Seite des Amtsinhabers. Doch unter den übrigen Vorständlern und Delegierten ist die Meinung geteilt. Peter Rauen redet eine halbe Stunde lang, sagt, dass Rot-Grün das Land in den Abgrund führe, dass Deutschland nicht mehr Motor sei in Europa, sondern Bremsklotz und dass "der Obergrüne Fischer schuld ist" an der Einreise tausender Zwangsprostituierter und Schwarzarbeiter. Rauen hat sich Stichwörter notiert auf einem Spickzettel, spricht weitgehend frei und deutlich konzentrierter als vier Monate zuvor, als er ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt ein Rede-Duell gegen Landeschef Christoph Böhr verlor. 20 Minuten später ist Herausforderer Michael Billen an der Reihe. Wohl weil er weiß, dass Wirtschaftspolitik das Steckenpferd des Amtsinhabers ist, doziert Billen zunächst über den Mittelstand ("Betriebe gehen an Auflagen kaputt") und das Entbürokratisierungsgesetz des Landes ("hat Schimmel angesetzt"), bevor er die Themen Infrastruktur, Innere Sicherheit und Bildung streift. Eine gute Rede - wie die seines Vorgängers, keine glänzende. Unentschieden endet anschließend auch die Aussprache, bei der neben den beiden Kandidaten auch die Medienvertreter vorübergehend vor die Tür gesetzt werden (siehe Bericht unten): Claudia Bauer (Wittlich), Aloysius Söhngen (Prüm), Günther Schartz (Saarburg) und Reinhold Westhöfer gehen für Peter Rauen in die Bütt, Patrick Schnieder (Arzfeld), Winfried Manns (Konz), Dieter Schmitt (Fisch) und Horst Langes (Trier) für Michael Billen. Wer eine persönliche Präferenz hat, wird sie auch nach dem zweistündigen "Vorspiel" an diesem Morgen nicht mehr geändert haben. Als um viertel vor 12 Uhr das Ergebnis bekannt gegeben wird ("139 Stimmen für Billen, 100 für Peter Rauen"), brandet Beifall auf im Saal. Der in der dritten Reihe sitzende Sieger steht auf, reckt die Hände in die Höhe, während die Gratulanten aus allen Richtungen herbeieilen.Rauen: Ich muss mich nicht schämen

Derweil steht der unterlegene Peter Rauen etwas verloren im Gang an der Seite. Parteifreunde, die vorbei kommen, klopfen ihm anerkennend auf die Schultern. "Ich muss mich für dieses Ergebnis nicht schämen", sagt Rauen später und es klingt so, als wolle er sich selbst etwas trösten.

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