Trübe Aussichten: Konjunkturflaute bremst Mittelstand in der Region - Jobmotor aber intakt

Trier. · Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich deutlich eingetrübt – in der Region Trier gar so stark wie zuletzt in der Wirtschaftskrise 2009. Einziger Hoffnungsschimmer: ein robuster Arbeitsmarkt.

"Die regionale Wirtschaft ist keine Insel der Glückseligen." Matthias Schmitt, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier weiß: Ob Ukraine-Krise, EU-Wachstumskrise oder Ebola-Epidemie - irgendwann schlägt die Krisenstimmung in der Weltwirtschaft auf Deutschland und die Region Trier durch. Der Beweis: Der IHK-Konjunkturindikator ist in der jüngsten Herbstumfrage im Vergleich zum Frühjahr um 22 Punkte auf 113 gefallen - so stark wie zuletzt in der Wirtschaftskrise 2009. Auch im Bund kommt die Wirtschaft nicht voran, die Regierung spricht von einer "vorübergehenden Wachstumspause" und senkt ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr von 1,8 Prozent Plus auf 1,2 Prozent.

Dennoch: "Man kann nicht von einer Krise sprechen. Wir sind immer noch im grünen Bereich", sagt IHK-Chefvolkswirt Schmitt. Insgesamt bewerten die Unternehmen ihre Geschäftslage noch als positiv, auch wenn die Geschäftserwartungen in Industrie und Handel sich stark abgekühlt haben. Wie im ganzen Land: "Die ungelösten Konflikte drücken auf die Stimmung", sagt auch Peter Adrian, Präsident der IHK Trier und der IHK-Arbeitsgemeinschaft in Rheinland-Pfalz. Dennoch warnt er vor Schwarzmalerei, die Wirtschaft befinde sich auch weiter "in guter Verfassung". Allerdings: "Die regionalen Unternehmen gehen davon aus, dass die Konjunktur in nächster Zeit auf der Stelle treten wird", sagt er. Folglich wird weniger investiert und eingestellt.

Lichtblick in der Wirtschaftswelt ist derzeit das Handwerk. So sind mit 90 Prozent nochmals mehr befragte Betriebe in der Region Trier zufrieden mit ihrer Geschäftsentwicklung als im Frühjahr. "Das Handwerk ist weniger exportorientiert, so dass Krisen nicht so groß ausfallen", begründet Christian Neuenfeldt von der Handwerkskammer Trier die Entwicklung. Dennoch gebe es auch im Handwerk - gerade am Bau - leichte Einbrüche, etwa bei Geschäftslage und Auslastung.
Auch wenn die weltweiten Krisenherde und die lahmende EU-Konjunktur die Wirtschaft schwächen, hält sich der Arbeitsmarkt wacker: "Zurzeit gibt es 15,7 Prozent mehr offene Stellen als im Vorjahresmonat und mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte als je zuvor", sagt Heribert Wilhelmi, Chef der Trierer Arbeitsagentur. "Das ist kein Einbruch, sondern Stabilität."

Wie die regionalen Unternehmer in die Zukunft blicken, lesen Sie hier

Kommentar
Die Wirtschaft, ein Psycho-Spiel

Wie stark im Wirtschaftsgeschehen ein Rädchen ins andere greift, zeigen erneut die aktuellen Konjunkturdaten: Von einer lediglich "vorübergehenden Wachstumspause" spricht die Bundesregierung, die Wirtschaft sei kaum vorangekommen. Aufgrund der starken Exportwerte der deutschen Unternehmen sorgen folglich Krisen in der Ukraine, Konflikte in Syrien und eine schwächelnde Nachfrage in den europäischen Hauptabnehmerländern Frankreich und Italien für fehlende Aufträge und Arbeit in den kommenden Monaten in den heimischen Betrieben von Eifel, Mosel und Hunsrück.
Die Aussichten sind nicht allzu rosig. Von maximal verhaltenem Wachstum ist die Rede. Die Laune ist so stark abgesackt, dass sich Optimisten und Pessimisten unter den Unternehmern in der Region Trier inzwischen gar die Waage halten. Jeder vierte Betrieb will sogar weniger in Maschinen, Personal und Gebäude investieren. Da kommt kaum Stimmung auf. Entscheidend wird also sein, inwieweit die Verunsicherung abgebaut werden kann. Wirtschaft als Psycho-Spiel also.
Doch gemach: Bei aller Schwarzmalerei darf man nicht vergessen, dass Deutschland in den vergangenen Jahren der große Profiteur von Euro-Krise und rückläufiger US-Wirtschaft war. Seit 2009 geht es hierzulande mit dem Wachstum steil bergauf. Davon haben Betriebe, aber auch Beschäftigte in der Region Trier profitiert. Die Zahl der Arbeitslosen ist zurückgegangen, viele Stellen können gar nicht erst besetzt werden. Noch nie gab es so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wie heute.
Ein leichter Dämpfer in der Konjunkturentwicklung ist daher kein Einstieg in die Rezession, sondern ein Schuss vor den Bug. Einzelne Voreilige, die aufgrund der sich verschlechternden Stimmunglage schon jetzt mit dem Zauberwort "Konjunkturprogramm für Deutschland" Stimmung machen, sollten sich also zurückhalten.

Denn kurz vor dem beginnenden Weihnachtsgeschäft im Handel sorgen solche Meldungen natürlich für Unruhe: Halten sich die Verbraucher aufgrund einer schwächelnden Gesamtwirtschaft zurück, oder denken sie sich: Jetzt erst recht kaufen?
Angesichts von Beschäftigungszuwachs und spürbar dickeren Portmonnaies haben die Bundesbürger selbst in den vergangenen Monaten das Wirtschaftswachstum gestützt. Und geht man davon aus, dass die besten Geschäfte im Handel am Jahresende erzielt werden, so werden Konsum und Konjunktur auch zum Jahresende stark von den Verbrauchern getragen sein. Etwas, das der Gesamtwirtschaft über einige unsichere Monate vor allem in weltpolitischen Entscheidungen hinweghelfen kann - bis bessere Stimmung wieder für gute Geschäfte sorgt..

s.schwadorf@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort