Überstunden machen, umplanen, durchschleppen: Wie Lehrer die Unterrichtsversorgung in der Region Trier sehen

Trier/Mainz · Wie ist es um die Unterrichtsversorgung an den Schulen bestellt? Gut, sagt das Mainzer Bildungsministerium. Schlecht, sagen Lehrer aus der Region - und stellen Forderungen an die Politik.

 Ein leeres Klassenzimmer: Der Streit über Unterrichtsausfall an rheinland-pfälzischen Schulen bleibt ein Dauerthema. Archiv-Foto: dpa

Ein leeres Klassenzimmer: Der Streit über Unterrichtsausfall an rheinland-pfälzischen Schulen bleibt ein Dauerthema. Archiv-Foto: dpa

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Trier/Mainz. Der Direktor einer Grundschule in der Eifel zittert in diesen Dezember-Tagen etwas mehr als sonst. Nicht, weil es frostig ist. Sondern weil er die hartnäckige Grippewelle fürchtet. Werde ein Lehrer krank, müsse die Schule mit viel Pech schon Klassen zusammenlegen. Nach jedem einzelnen Schüler zu gucken, sei dann kaum mehr möglich. Manchmal springe auch er im Unterricht ein, doch schon jetzt trage er fast 100 Überstunden mit sich herum.

Viele Lehrer schleppten sich krank durch, bis es nicht mehr gehe. "Manche Schulen schicken die Kinder heim", sagt der Schulleiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Ärger mit Behörden will er vermeiden.
Es ist aber ein Bild von Grundschulen in der Region Trier, das Gerhard Bold bekannt vorkommt. Nach den Informationen des Vorsitzenden der Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) arbeiten in manchen Klassen Lehrer, die gerade mal den Bachelor-Abschluss haben. Die sogenannten Feuerwehrlehrer seien durch Unterricht ebenfalls geblockt - und könnten kaum mehr einer Schule helfen, die unter Personalnot leide.Verschleierte Wirklichkeit?


Geht es dagegen nach der Statistik des Bildungsministeriums, gibt es an rheinland-pfälzischen Grundschulen eine Unterrichtsversorgung von 99,4 Prozent. Bold sagt, das Zahlenwerk verschleiere die Wirklichkeit. Dabei verbuchen die Grundschulen noch den Spitzenwert unter den allgemeinbildenden Schulen. Die Schlussfolgerung: Besser sei die Lage an Gymnasien, Realschulen und Gesamtschulen eben auch nicht. Verlierer der Statistik sind die Förderschulen, in denen allein aus strukturellen Gründen vier Prozent des Unterrichts ausfallen - also schon geplant. Bold kritisiert: "Die Schwächsten werden auch noch am Schlechtesten versorgt."

Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) sagt, der Wert der Förderschulen werde sich noch bessern und auf 3,4 Prozent fallen. Zum zweiten Halbjahr stelle das Land noch 78 Lehrer ein, die ihr Referendariat abschließen. Bold zweifelt noch, ob die Absolventen wirklich in Rheinland-Pfalz bleiben. Es gebe immer weniger Förderschullehrer - und die Bezahlung in anderen Bundesländern sei reizvoller.

Vorwürfe schlechter Versorgung wehrt Hubig mit einem Blick auf die Zahlen ab. Mit der Zuwanderung habe das Land eine große Herausforderung meistern müssen. "Wir sind stolz und froh, dass wir das so hinbekommen haben." Sie verweist darauf, dass das Land 270 Lehrer zusätzlich eingestellt habe und den Pool an Vertretungslehrern ab Februar von 800 auf 1000 erhöhen will. Bereits jetzt könnten Schulen über ein Projekt Vertretungslehrer selbst einstellen, um auf kurzfristige Ausfälle zu reagieren. Künftig sollten Schulen noch mehr eigenständige Möglichkeiten erhalten. Bold hält dagegen, dass die Regierung bis 2020 aber auch 310 Lehrerstellen abbauen will. Durch Integration und Inklusion sieht er allein einen Bedarf von mindestens 1000 Lehrerstellen. Und auch die Versorgung müsse bei über 100 Prozent liegen. "Wird dann jemand krank, wirkt sich das nicht auf den Unterricht aus."Extra

Schülerzahlen: Die Schülerzahlen sind in Rheinland-Pfalz um insgesamt 200 Kinder und Jugendliche zurückgegangen. Unterschiede gibt es in den Schulformen: So besuchen die Grundschulen 2900 Kinder mehr als vor einem Jahr, bei den Integrierten Gesamtschulen sind es 2400. Einschnitte verzeichnen die Gymnasien (minus 3100) und Realschulen plus (minus 2400). Integration: Flüchtlinge integrieren, das ist ebenfalls eine Aufgabe der Schulen. 565 Deutsch-Intensivkurse gibt es insgesamt, die pro Woche je zehn bis 20 Stunden in Anspruch nehmen. 8500 Schüler besuchen die Kurse. Im Vergleich zum vergangenen Jahr sind das 268 Kurse und 4300 Schüler mehr. Wer bereits Deutsch spricht, wird mit Stunden in einem geringeren Umfang gefördert. Auf das Angebot greifen 24 700 Schüler zurück. flor

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