Internationale Politik Ukraine-Konferenz in Ramstein: Ein Blick hinter die Kulissen

Ramstein-Miesenbach · Zum dritten Mal hat die Ukraine Defense Contact Group auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein getagt. Wie der Tag verlief und wie die Stimmung war.

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So war die Ukraine-Konferenz in Ramstein

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Foto: Hans-Peter Linz

Es ist noch dunkel am frühen Morgen und die Temperaturen liegen unter Null Grad, an den Bäumen hängt Rauhreif: Journalisten warten fröstelnd an einem Parkplatz auf den Transport zur Ramstein Air Base, einer wichtigen Drehscheibe für Truppen- und Frachttransporte. Mit über 9000 Mitarbeitern ist es die Basis mit dem größten Personalbestand außerhalb der USA. An diesem Freitag ist dort kein normaler Flugbetrieb. Stattdessen tagt die Ukraine Defense Contact Group auf dem Stützpunkt. In dieser Konferenz beraten Top-Politiker und Militärs aus über 50 Nationen darüber, wie die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen den russischen Überfall weiter militärisch unterstützt werden kann. Dazu zählt auch die Diskussion darüber, ob Deutschland Leopard 2 Panzer liefern könnte.

Unter anderem werden auch der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin und der erst seit einem Tag im Amt befindliche deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius erwartet. Die Stimmung ist gespannt und die Sicherheitsvorkehrungen sind massiv. So müssen auch die Journalisten geduldig warten, während ein Sprengstoffspürhund ihre Kamera- und Fototaschen abschnüffelt und ihre Papiere kontrolliert werden. Dann fahren vier Busse mit den Reportern aus Deutschland und vielen weiteren Ländern zum Stützpunkt. Ein Polizeiwagen mit blinkendem Blaulicht eskortiert sie. Ein Kollege will ein Foto vom Eingangstor machen, wird aber von einem Soldaten gestoppt „No photos here,“ sagt der Soldat freundlich, aber bestimmend - Sicherheit hat Priorität.

Nach der kurzen Fahrt kommen die Busse am Offizierskasino an. Das Kasino ist an den Gebäudekomplex angeschlossen, in dem die Tagung stattfindet. Der Tross steigt aus und die Kollegen suchen sich hastig einen Platz in dem gut gefüllten Saal. Laptops werden aufgebaut, Kameras einsatzbereit gemacht. Soldaten mit Schnellfeuergewehren sichern den Bereich, in dem sich die Journalisten aufhalten können, wozu auch das Vorgelände des Kasinos zählt. Dort werden später die Politiker vor den Mikrofonen der Sender ihre Statements abgeben.

Plötzlich kommt Unruhe auf, es ist 9.30 Uhr - ein Militärangehöriger ruft durch den Saal, dass die Delegationen bald eintreffen und Fotos gemacht werden können. Los geht es, einmal um den Block zum Eingangsbereich des Tagungsgebäudes, dem „Ramstein Officer’s Club“ mit seiner breiten Freitreppe. Vor dem Gebäude steht etwas einsam ein Mann in Anzug und Krawatte, der gerade mit dem Handy telefoniert. Ist er es? Ja, nach einem Blick durchs Teleobjektiv wird deutlich: Es ist tatsächlich der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius. Ob er gerade mit Bundeskanzler Olaf Scholz letzte Abstimmungen berät und warum er außerhalb des Gebäudes telefoniert? Man munkelt und spekuliert ...

Kurze Zeit später fahren die ersten Limousinen vor: Generäle, Politiker, Militär-Attaches steigen aus und gehen mit ernster Miene und eiligen Schrittes die Treppe hinauf, wo sie hinter verschlossenen Türen den ganzen Tag lang darüber debattieren, wie es mit der Militärhilfe für die Ukraine weiter geht. Auch Jens Stoltenberg, der Nato-Generalsekretär ist dabei, der kurz in die Kameras nickt. Schließlich kommt auch der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin an.

Journalisten im Eingangsbereich des Ukraine-Kongresses in Ramstein

Foto: TV/Hans-Peter Linz

Dann erfolgen die sogenannten „Opening Remarks“. Lloyd Austin hält eine kurze Rede im Kongressraum, die auch in den Presseraum übertragen wird. Russland gehe momentan die Munition aus, das sei jetzt ein bedeutender Moment und es sei nicht die Zeit, die Bemühungen herabzuschrauben, um gegen die russische imperiale Aggression zu kämpfen, bemerkt Austin. Ukraine sei „alive and kicking“, „gesund und munter“ - ein englischer Spruch, dem die schottische Rockband Simple Minds einst einen Song gewidmet hat.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist per Video-Übertragung aus Kiew zugeschaltet. Er fordert: „The Kremlin must loose!“ - „Der Kreml muss verlieren“. Dann gehen die Türen wieder zu: Die Konferenz tagt im Geheimen und die Journalisten müssen warten. Erste Fotos werden übertragen, erste Texte geschrieben. Ein dänisches Fernsehteam sitzt mit am Tisch. Ein dänischer Kollege fragt dann auch, wie die Stimmung in Deutschland ist, ob die Bürger es befürworten, so eine starke Waffe wie den Leopard 2 an die Ukraine zu liefern. Eine lebhafte Diskussion entwickelt sich, denn die Lage ist schwierig und kompliziert, der Druck indes hoch.

Währenddessen besprechen im selben Gebäude, nur einen Flur weit entfernt, führende Militärs und Politiker darüber, wie viele Waffen und welche Munition die Ukraine erhält - und vor allem ringen sie auch um die entscheidende Frage, ob der Leopard 2 geliefert werden soll.

Kurze Entspannungspause beim Mittagessen: Es gibt Hähnchen mit Reis und gedünstetem Gemüse. Während der Mittagspause werden dann auch schon die ersten Statements von manchen Delegierten angekündigt. In erster Linie sind die internationalen Presseteams natürlich daran interessiert, ein Statement eines Angehörigen ihres eigenen Landes zu erhalten. Und so bauen die Dänen ihre Kamera auf, um mit einem uniformierten Delegierten ihres Landes zu sprechen, während zum Beispiel die Kanadier auf ihre Verteidigungsministerin Anita Amand warten, die dann dezidiert erläutert, welches Material Kanada an die Ukraine liefern wird. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kommt zwischendurch heraus auf die Terrasse vor dem Offizierskasino und gibt ein erstes Statement vor laufenden Kameras ab.

Als dann bekannt wird, dass Boris Pistorius vor die Kameras tritt, wird es hektisch, denn das Medieninteresse an dem neuen deutschen Verteidigungsminister ist deutlich höher - schließlich ist die Lieferung der Leopard-2-Panzer die entscheidende Frage an diesem Tag, auf die es aber keine verbindliche Antwort geben wird.

Zum Nachmittagskaffee werden Erdnussbutterkekse gereicht. Mit ihrem süß-salzigen Geschmack passen sie irgendwie zur durchwachsenen Stimmung dieser so bedeutenden Konferenz, deren Ziel es ist, den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zu beenden. Das bekräftigt dann auch Lloyd Austin in seinem Abschlussstatement. Man werde die Bemühungen „as much as it takes, as long as it takes“ (Soviel und so lange wie nötig) fortsetzen. Ein Krieg werde schließlich immer am Verhandlungstisch enden, bemerkt er. Die Konferenz ist beendet. Inzwischen haben die bundesweit gemeldeten Schneefälle auch Ramstein erreicht. Auf der Autobahn nach Trier liegt eine geschlossene Schneedecke, weshalb die Fahrt nach Hause doppelt solange dauert wie üblich. Ein Luxus-Problem, denkt man an die ukrainische Bevölkerung, die währenddessen bei noch kälteren Temperaturen und noch mehr Schnee um ihr Überleben kämpft.