Umweltschützer schlagen Alarm

NEUENDORF. Nach dem Gefahrenstoff-Unfall vom 1. April (der TV berichtete) befürchtet der nordrhein-westfälische "Verein zum Schutze des Rheins und seiner Nebenflüsse" (VSR) weitere gefährliche Umwelt-Belastungen. Die Naturschützer verweisen dabei auf eigene Messungen in der Prüm.

 Sanierungsarbeiten an der LKW-Unfallstelle. Zumindest bis zur kommenden Woche soll die B 51 durchgängig befahrbar bleiben.Foto: Fritz-Peter Linden

Sanierungsarbeiten an der LKW-Unfallstelle. Zumindest bis zur kommenden Woche soll die B 51 durchgängig befahrbar bleiben.Foto: Fritz-Peter Linden

"Wirbeschäftigen uns seit mehreren Jahren intensiv mit Insektiziden",sagt VSR-Projektleiter Harald Gülzow im Gespräch mit demTV . "Deshalb sind wir da inzwischen ziemlich fit." Und deshalb warnt der VSR: Das größte Problem sei nicht der bei dem Unfall freigesetzte Wirkstoff Dimethoat, sondern das, was bei dessen Umwandlung entsteht. Die Hauptsorge des VSR konzentriert sich dabei auf den Abbaustoff Omethoat.

Der VSR hat seine Messungen am Ostersamstag in der Nähe von Pronsfeld vorgenommen, rund 20 Kilometer von der Unfallstelle entfernt. Resultat: eine Belastung mit Organophosphaten und weiteren Chemikalien, die höher liegt als in der Emscher, die als Abwasserkanal für das Ruhrgebiet herhalten muss. Die festgestellten Stoffe hemmen die Acetylcholinesterase, ein für das Nervensystem unverzichtbares Enzym. In den Körper gelangen sie über Atmung, Hautkontakt und Ernährung, danach verteilen sie sich und bilden Umbauprodukte.

Die Hauptgefahr heißt laut Einschätzung des VSR Omethoat. "Der Stoff entsteht spätestens, wenn der Organismus das Dimethoat aufgenommen hat", sagt Harald Gülzow. "Und das ist das Risiko." Die Langzeitschäden - Übelkeit, Unruhe, Schlafstörungen - seien nicht zu beheben und nur mit Medikamenten in den Griff zu bekommen. Daher solle bei ärztlichen Untersuchungen auch nicht nach Dimethoat, sondern nach Omethoat gefahndet werden.

Der Verein warnt jedoch vor Panik-Reaktionen: "Krasse Fälle scheinen nach dem Unfall nicht aufgetreten zu sein", räumt auch Gülzow ein. Zudem sei es sehr gut möglich, dass jemand schlecht schlafe oder sich unwohl fühle, ohne dass dies auf das Gift zurück zu führen sei. Dennoch fürchtet der VSR, dass vor allem Kinder kontaminierte Staub- und Bodenpartikel oder Wassertropfen aufnehmen könnten. Der Unfall-LKW habe immerhin 25 Tonnen des Gifts transportiert, mehr als ein Viertel der im Jahr 2001 in Deutschland versprühten Dimethoat-Menge von 84 Tonnen.

Allerdings wurden in den benachbarten Wiesen keine Belastungen gemessen - und das bei einem Gift, das relativ einfach nachzuweisen ist. Die mit dem Unfall befassten Behörden bleiben indessen strikt bei ihrer bisherigen Warnung vor jeglichem Kontakt mit dem Wasser aus Prüm und Sauer.

Sperrung der B 51 vorerst aufgehoben

Auch in Bezug auf Omethoat will man wachsam bleiben. Rudolf Müller, Sprecher der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm: "Wenn es diesbezüglich Erkenntnisse gibt, dann wird das auch untersucht. Die Linie lautet, immer auf der sicheren Seite zu sein." Joachim Gerke von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord bestätigt: "Bevor wir irgend etwas wieder freigeben, werden wir alle Abbauprodukte untersuchen lassen. Wir beobachten weiter, bis wir sicher sind, dass alles okay ist."

Auch die Gewässer und die darin lebenden Fische werden weiter unter die Lupe genommen. Gerke: "Wir prüfen derzeit sogar, ob es von der Prüm aus Wirksamkeiten in andere Gebiete geben kann, etwa in die Nims oder die Enz." Dadurch wolle man ausschließen, dass sich das Gift durch unterirdische Verbindungen zu diesen Flüssen weiter verbreite. Die Sanierung rund um die Unfallstelle bei Neuendorf geht indessen weiter. Allerdings soll der Abschnitt zwischen Stadtkyll und Olzheim erst in der kommenden Woche noch einmal für voraussichtlich zwei Tage gesperrt werden, bis dahin bleibt die Strecke frei.

Internet-Adresse des VSR mit aktuellen Analyse-Ergebnissen: www.VSR-Aktuell.de.

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