Urteil blockiert die regionale Versorgung todkranker Menschen zu Hause (Video)

Trier · Weil Verträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, ist die spezialisierte ambulante Pflege in der Region gefährdet. Auch der Hospizverein Trier wird ausgebremst.

Jeder Mensch soll in Würde sterben und das Ende seines Lebens ohne Schmerzen erleben. So lautet das Credo der Hospizarbeit. Der Abschied im geschützten Umfeld des eigenen Zuhauses ist für viele Todkranke ein Herzenswunsch. Ein Gerichtsurteil aus dem Sommer 2016 bringt das dafür notwendige Angebot der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) in Gefahr. Auch in der Region Trier. Denn der Abschluss neuer Versorgungsverträge ist ins Stocken geraten.
"Wir wollten 2016 starten", sagt Diedo Römerscheid, Vorsitzender des Hospizvereins Trier. "Weil die Leistungen für ein solches 24-Stunden-Angebot von den Kassen europaweit ausgeschrieben werden müssen, hängen wir aber in der Luft."

Auch die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und die Bundesarbeitsgemeinschaft SAPV haben die Unsicherheit bei Verbänden und Krankenkassen angeprangert. Vorsitzende Michaela Hach warnt sogar vor einer "gefährlichen Industrialisierung" der ambulanten Versorgung sterbender Menschen, wenn die Verpflichtung zu einer bundes- oder europaweiten Ausschreibung bestehe. "Das konterkariert den Rechtsanspruch Sterbender, dass sie zu Hause im Kreise ihrer Familie eine solche Palliativversorgung erhalten, die die Krankenkassen bezahlen müssen." Nun sei der Gesetzgeber gefragt.

Um gut funktionieren zu können, müssen SAPV-Teams nach Ansicht von Hach eng mit der jeweiligen Region und den dort vorhandenen Netzwerken verknüpft sein. Der Hospizverein Trier, der gemeinsam mit dem Club Aktiv und vier Krankenhäusern der Region die gemeinnützige Trägergesellschaft Hospiz Trier gegründet hat, entspricht genau diesen Vorstellungen.

"Wir bieten ambulante und stationäre Versorgung aus einer Hand", sagt Maria Brandau, stellvertretende Vorsitzende des Hospizvereins. "Das gibt es so fast nirgendwo in Deutschland." Bereits jetzt seien sechs Palliativfachkräfte unterwegs, um todkranke Menschen ambulant zu betreuen. 250 Patienten waren es im vergangenen Jahr, 205 von ihnen sind inzwischen gestorben. Nach Einschätzung von Palliativfachkraft Ruth Krell könnten mindestens 100 Menschen im Raum Trier die erweiterten medizinischen und pflegerischen Leistungen einer spezialisierten Versorgung in Anspruch nehmen. Ähnliche Bemühungen gibt es auch in der Eifel durch den Caritasverband.

Wann die Hängepartie um SAPV-Leistungen beendet sein werden, ist unklar. "Zur Umsetzung der Rechtsprechung sind derzeit noch rechtliche Fragestellungen offen", sagt ein Sprecher des AOK-Landesverbands auf Anfrage des Trierischen Volksfreunds. Ob dann Hospiz Trier oder Caritas Westeifel zum Zuge kommen wird, ist nicht klar. "Aussagen dazu sind im Vorfeld eines Vergabeverfahrens nicht möglich."

Eine Reportage zum Thema:

"Keine Schmerzen, das ist das Wichtigste"

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