Vertretungslehrer: Richterin kritisiert Einstellungspraxis des Landes

Trier · Nach deutlichen Worten einer Trierer Arbeitsrichterin zur Einstellungspraxis des Landes in Schulen will die Schulaufsicht in Trier nun prüfen, ob sie einer entlassenen Vertretungslehrerin nicht doch einen Job bieten kann. Die Frau hatte das Land verklagt. Gibt es keine Einigung, ist im März mit einem Urteil zu rechnen.

Trier. Das Arbeitsgericht Trier hat sich am Mittwoch mit einem Fall beschäftigt, der für Tausende befristet angestellte Lehrer von Interesse sein dürfte: Eine Frau aus dem Kreis Trier-Saarburg hatte gegen das Land geklagt, nachdem ihr siebter Zeitvertrag an einer Realschule plus nicht verlängert worden war.
Ein Urteil gibt es zwar noch nicht. Dennoch dürften die Vertreter der Schulaufsicht das Arbeitsgericht Trier mit einem gewissen Unbehagen verlassen haben. Waren die Worte der Richterin doch deutlich. Und scheinen die Chancen für die Klägerin nicht schlecht zu stehen. Zumindest prüft die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) nun, ob sie der 47-Jährigen nicht doch einen Job anbieten kann. Unbehagen verursachen könnte den Landesvertretern aber auch, dass der Verlauf des Prozesses auch anderen Mut machen könnte, gegen das Land zu klagen. Laut ADD-Statistik haben zu Beginn des 2. Schulhalbjahrs landesweit 262 Lehrkräfte keinen neuen Vertrag bekommen. Wie viele sich dagegen wehren, wird sich erst zeigen, wenn in rund zwei Wochen die Klagefrist abläuft.
Deutlich weniger Geld


Insgesamt gibt es in Rheinland-Pfalz 14 500 befristet beschäftigte Lehrer. Sie bekommen deutlich weniger Geld als ihre verbeamteten Kollegen, haben keine Sicherheit und hangeln sich in vielen Fällen von einem Kurzvertrag zum nächsten. Arbeitsrichterin Melanie Riske hat dazu eine deutliche Meinung: "Es ist mir ein Bedürfnis, zum Ausdruck zu bringen, dass wir diese Praxis des Landes missbilligen", sagt sie während der Gerichtsverhandlung und appelliert an die Schulaufsicht, der Klägerin doch noch entgegenzukommen. Zumal eine Unterschriftensammlung zeige, dass Schüler und Eltern der Realschule plus sich die Lehrerin zurückwünschten. Die ehemalige Klassenlehrerin hatte Eltern zufolge alle ihr anvertrauten Hauptschüler von der siebten Klasse erfolgreich zum Abschluss geführt.
Die deutlichen Worte der Richterin zeigen Wirkung: Nach einer Sitzungsunterbrechung bieten die Vertreter der ADD an, zu prüfen, ob sie der Frau eine Stelle als pädagogische Fachkraft anbieten können - die die Schüler zwar betreut, nicht aber unterrichtet. Als Lehrerin könnten sie sie nicht einstellen, da die Frau dazu die nötige Qualifikation nicht besitze und qualifizierte Leute vor der Türe stünden. Die Begründung: Die Klägerin hatte ihr Studium (Englisch/Deutsch) mit dem Magister abgeschlossen und nicht mit dem zweiten Staatsexamen. Dass die 47-Jährige für die ADD zuvor vier Jahre lang als Lehrerin arbeitete, scheint bei der Bewertung keine Rolle zu spielen. Eine Argumentation, die die im Gerichtssaal anwesenden Elternvertreter sichtlich wütend macht.
Sie wollen einfach die Lehrerin zurück und sind daher mit dem sich anbahnenden Kompromiss nicht glücklich. Die Klägerin selbst - alleinerziehende Mutter zweier Kinder - will möglichst schnell wieder eine Arbeitsstelle. Nur diesmal eine, die Sicherheit bietet. Die Schulaufsicht hat zugesagt, innerhalb der kommenden drei Wochen Bescheid zu geben, welche Angebote sie machen kann. Sollte es zu keiner gütlichen Einigung kommen, dürfte in der kommenden Gerichtsverhandlung am 6. März ein Urteil gefällt werden. Die Richterin nimmt an, dass der Rechtsstreit dann in die nächste Instanz geht.
Meinung

Erbärmliche Augenwischerei
Auf der einen Seite gibt es die Verbeamteten. Und auf der anderen Tausende Vertretungslehrer. In vielen Fällen machen sie die gleiche Arbeit, tragen die gleiche Verantwortung, bekommen weniger Geld und haben null Sicherheit. Und sie sollten nicht glauben, dass sich das so bald ändert. Denn auch für Leute mit Staatsexamen hat das Land seit kurzem zu wenig Stellen. Das ist nicht gottgegeben. Das hat auch nichts mit dem Bedarf zu tun. Das ist eine politische Entscheidung. Statt diese transparent zu machen und angesichts der schwierigen Finanzlage um Verständnis zu werben, betreibt das Land der Öffentlichkeit gegenüber Schönfärberei und Augenwischerei. Erbärmlich. k.hammermann@volksfreund.deExtra

Das Arbeitsgericht Trier sieht es offenbar generell sehr kritisch, wenn das Land Vertretungslehrern über Jahre hinweg nur befristete Verträge gibt. Die Prüfung der rechtlichen Kriterien erfolgt allerdings im Einzelfall. Relevant ist Richterin Melanie Riske zufolge die Dauer der Beschäftigung, die Zahl der Verträge und Vertretungsgründe und die Frage, ob es nur um eine oder mehrere Schulen ging. Das Bundesarbeitsgericht gab einem Kläger recht, der in elf Jahren 13 befristete Verträge hatte. Einem anderen mit vier befristen Anstellungen in neun Jahren hingegen nicht. Ein Fall aus der Eifel zeigt, dass auch ein erstinstanzliches Urteil zum Erfolg führen kann: Ein über zehn Jahre hinweg in zahlreichen Verträgen befristet angestellter Lehrer (Sport, Physik, Chemie ohne Staatsexamen) hat sich 2012 erfolgreich auf eine unbefristete Stelle geklagt. kah

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