Justiz Trierer Gerichtspräsident kritisiert massive Mängel im Asylrecht

Trier · Das Verwaltungsgericht schiebt eine Bugwelle an Asylverfahren vor sich her. Der Präsident bemängelt, es werde zu wenig abgeschoben – und fordert ein neues Bleiberecht.

Verwaltungsgericht  Trier: 5500 Asylverfahren noch nicht abgearbeitet
Foto: dpa/Arne Dedert

Klagen in Endlosschleifen, Verfahren, die sich immer länger hinziehen, ein europäisches Asylsystem, das nicht funktioniert, und Ausreisepflichtige, die jahrelang bleiben: Georg Schmidt, Präsident des Trierer Verwaltungsgerichts, das allein für sämtliche Asylverfahren in Rheinland-Pfalz zuständig ist, äußert massive Kritik am Asylrecht. Dieses müsse dringend überarbeitet werden, fordert er.

Noch jetzt, vier Jahre nach dem großen Flüchtlingszustrom, schiebt das Gericht eine Bugwelle an Asylklagen vor sich her. Rund 5500 Verfahren sind aktuell abzuarbeiten. Das sind zwar weniger als im Vorjahr. Dennoch wird es Jahre dauern, alle Fälle abzuschließen. Wegen der Vielzahl ist die Bearbeitungszeit stark gestiegen. 2016 lag sie noch bei zwei Monaten. Inzwischen sind es 15 Monate. Selbst die Eilverfahren dauern fast ein halbes Jahr. Zuletzt waren rund zwölf Prozent der Klagen erfolgreich.

Diejenigen, die keinen Erfolg haben, können laut Schmidt „so viele Folgeanträge schreiben und Eilverfahren anstrengen, wie sie wollen“. Man brauche dafür nur eine neue Begründung. Das kann eine Krankheit sein, die Konversion zum Christentum oder ein neues Dokument, das zeigt, dass in der alten Heimat Schlimmes droht. Diese Folgeanträge werden wieder vom Bundesamt für Migration beschieden. Und wem das Ergebnis nicht gefällt, der kann auch wieder klagen. So kommt es, dass das Gericht sich immer wieder mit dem längst ausreisepflichtigen „Prümer Taliban“ auseinandersetzen muss. Ein junger Afghane, der die Behörden seit Jahren beschäftigt.

Ein weiteres Problem ist laut Schmidt die Dublin-Verordnung, die eigentlich bewirken soll, dass Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen, das sie zuerst betreten haben. „Das System ist in der Praxis zusammengebrochen“, sagt er. Da Betroffene sich inzwischen juristisch gegen Dublin-Bescheide wehren können, zögen sich Verfahren oft so lange hin, dass die Sechsmonatsfrist überschritten werde – und danach sei nicht mehr das andere EU-Land, sondern Deutschland für den Flüchtling zuständig. Diejenigen, die man doch nach Italien oder Frankreich zurückführe, seien oft nach ein paar Tagen wieder da – und dann müsse das gesamte Asylverfahren neu aufgenommen werden. Und wieder könne geklagt werden. „Da ist einiges gesetzlich neu zu regeln“, sagt der Jurist. Auch das rheinland-pfälzische Integrationsministerium und der Flüchtlingsrat finden, dass die Dublin-Verordnung grundlegend überarbeitet werden müsste.

In Fällen, in denen keine politische Verfolgung vorliege, müsse man entscheiden, ob man die Menschen als Arbeitskräfte hierbehalten wolle, sagt Schmidt. Wenn nicht, dann müsse man sie rascher zurückführen. Und wie ist das zu erreichen? „Indem man das Gesetz anwendet. Es gibt kein Gebiet im Verwaltungsrecht, in dem das Vollzugsdefizit größer ist als im Ausländer- und Asylrecht.“ 7600 Ausreisepflichtige leben in Rheinland-Pfalz.

„Da wir unter den aktuellen Umständen noch Jahre für die anhängigen Verfahren brauchen, spreche ich mich aber auch für eine neue Bleiberegelung aus“, sagt Schmidt. Wer schon fünf Jahre hier sei und straffrei lebe, seinen Unterhalt erarbeite und noch im Asylverfahren sei, dem solle man Bleiberecht ermöglichen. Damit würden Gerichte und Behörden entlastet und könnten sich „auf die wirklich wichtigen Fälle von Gefährdern und Straftätern beschränken“. „Und den Leuten muss man ja auch, damit sie sich integrieren können, Sicherheit in ihrer Lebensgestaltung geben“, findet Schmidt.

Das sieht das Mainzer Integrationsministerium ähnlich. Auch der rheinland-pfälzische Flüchtlingsrat spricht sich für eine klare, erweiterte Bleiberechtsregelung aus. Eine langjährige Duldung sei keine Lösung für die betroffenen Menschen. „Sie ist ein Damoklesschwert über den Köpfen der Betroffenen“, sagt Pierrette Onangolo, während das Ministerium die neuen Duldungen als „richtigen ersten Schritt“ sieht.

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