(Video) Für Hunderte junge Flüchtlinge entscheidet sich die Zukunft in Trier

Trier · Die Diskussion um mehr Sicherheit beschäftigt nach dem Anschlag in Berlin und der Silvesternacht in Köln die Menschen. Ein besonderer Aspekt des Themas sind jugendliche Flüchtlinge, die ohne Begleitung von Erwachsenen ins Land kommen. Das Jugendamt Trier betreut Hunderte von ihnen.

Sie sind jünger als 18 Jahre alt und haben häufig auf ihrer Flucht Traumatisches erlebt. Die fast 64.000 Jugendlichen, die derzeit auf eine bessere Zukunft in Deutschland hoffen, werden im Amtsjargon unbegleitete minderjährige Asylbegehrende (umA) genannt. 2900 von ihnen erhalten derzeit in Rheinland-Pfalz besondere Unterstützung.

"Integration ist dabei das oberste Gebot", sagt Carsten Lang. Er leitet das Jugendamt in Trier, eines von zwei Schwerpunktjugendämtern, die sich um die aufwendige Betreuung dieser jungen Menschen kümmern. Es ist damit auch zuständig für die vier Landkreise der Region sowie die Kreise Ahrweiler, Birkenfeld und Cochem-Zell. Um die den anderen Kommunen und Kreisen zugewiesenen Jugendlichen soll sich das Jugendamt Mainz-Bingen kümmern.

Vor der Flüchtlingswelle im Sommer 2015 war Trier bereits einmal für das ganze Land zuständig. "Inhaltlich ist das für uns deshalb nicht neu", versichert Amtsleiter Carsten Lang. Die Zahl der jugendlichen Flüchtlinge ohne Eltern ist in Rheinland-Pfalz nicht geringer geworden. Entgegen des starken Rückgangs der allgemeinen Flüchtlingszahlen sind derzeit sogar mehr von ihnen zu betreuen als vor einem Jahr oder vor zwei Jahren.

Schuld daran ist deren bislang ungleiche Verteilung unter den Ländern. Bayern, das Saarland, Hamburg, Hessen und Bremen haben ihre Aufnahmequote zum Teil deutlich übererfüllt. Nun werden Neuankömmlinge, die derzeit vor allem über die Schweiz einreisen, zum Beispiel nach Rheinland-Pfalz geschickt, das seine Aufnahmequote noch nicht erreicht hat.

Trotz der damit verbundenen Kosten spricht sich die Landesregierung vehement gegen eine Initiative von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt aus, die Hilfe für junge Flüchtlinge drastisch einzuschränken und sie ab dem 18. Geburtstag wie erwachsene Asylbegehrende einzustufen. "Es wäre dramatisch, wenn unbegleitete minderjährige Flüchtlinge noch früher und noch schneller aus der Jugendhilfe gedrängt würden", sagt Staatssekretärin Christiane Rohleder. "Bisherige Integrationsbemühungen aus Kostengründen aufs Spiel zu setzen, wäre eine fatale Entscheidung für die ganze Gesellschaft."

Kommentar

Bärendienst für die Gesellschaft

Von
Rainer Neubert

Die Verunsicherung in Deutschland nimmt mit jedem terroristischen Anschlag in Europa und mit jeder Straftat durch Immigranten in Deutschland zu. Nach der massenhaften Kontrolle junger Männer aus Nordafrika in Köln und auch in Trier steigen Misstrauen und latente Ausländerfeindlichkeit.

Wie diese das Leben vergiften kann, müssen auch Jugendliche erleben, die auf der anderen Seite stehen. Ihre Herkunft und ihr Aussehen machen die jungen Männer verdächtig, die alleine und ohne Eltern oder Verwandte vor Terror, Krieg und Not geflohen sind.

Der Weg nach Europa und Deutschland war für die Heranwachsenden schwer, gefährlich und nicht selten traumatisch. Auch deshalb ist es wichtig, sie unter einen besonderen Schutz zu stellen und nicht wie erwachsene Flüchtlinge zu behandeln. Und die Erfahrungen zeigen, wie gut Integration funktioniert, wenn schnell und intensiv Sorge getragen wird, dass sie die deutsche Sprache und die wichtigsten Werte der Gesellschaft kennen, in der sie auf eine friedliche und erfolgreiche Zukunft hoffen. Die Bedeutung von Regeln und Pünktlichkeit gehört dazu, die Toleranz gegenüber Andersdenkenden und anderen Religionen ebenso.

Integration kostet Geld. Geld zu sparen und Integrationsmaßnahmen einzuschränken, zahlt sich aber erst recht nicht aus. Warum Bundesländer wie Bayern, Baden-Württemberg und das Saarland dennoch ein Zwei-Klassen-Jugendhilfesystem fordern, in dem viele Jugendliche aus den Fördermaßnahmen fallen würden, sobald sie 18 Jahre alt werden, scheint eher dem Populismus als der politischen Vernunft geschuldet.

Die unterschiedliche Behandlung deutscher und zugereister Jugendlicher wäre die Folge, was von der Landesregierung Rheinland-Pfalz und anderen Bundesländern mit gutem Grund abgelehnt wird. Viele der jungen Menschen würden mitten aus Maßnahmen wie Sprachunterricht und betreutem Wohnen gerissen. Der Weg zur schnellen Integration wäre damit beendet.

Die jungen Männer müssen derzeit lernen, warum immer mehr Menschen auf den Straßen einen Bogen um sie machen. Sie haben schon gelernt, dass ihre Eltern nicht aus Syrien, Gambia oder Afghanistan nachkommen können. Denn wenn über ihre Asylanträge entschieden wird, sind sie fast immer älter als 18 Jahre. Dann gelten Eltern nicht mehr als nachzugsberechtigte Verwandte.

Sicher, Asylverfahren bei Jugendlichen sind aufwendig und verlangen besondere Sorgfalt. Warum das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) aber in Trier nur einen besonders geschulten Entscheider für diese Personengruppe vorhält, gibt Raum für Spekulationen.

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