Viel Aufschwung und einige Rückschläge

BITBURG. In Bitburg gehen die Lichter aus. Das befürchteten viele, als die Amerikaner am 30. September 1994 den Flugplatz verließen und der Bierstadt für immer "Bye bye" sagten. Nach 42 Jahren. Einer halben Ewigkeit. Zehn Jahre später sind die skeptischen Stimmen längst Schnee von gestern. Der Bitburger Flugplatz boomt, - und das ganz ohne Amerikaner.

Die schlechte Botschaft, die den Bitburg-Prümer Landrat Roger Graef und Bitburgs Bürgermeister Horst Büttner Anfang Juni 1993 ereilte, war wenige Zeilen lang und stand auf einem schmucklosen Formblatt des rheinland-pfälzischen Innenministeriums. Unter der Überschrift "Vertraulich - nur für den Dienstgebrauch" wurde erstmals offiziell bestätigt, was unsere Zeitung bereits drei Monate zuvor als erstes Medium gemeldet hatte: Die Amerikaner wollen den Bitburger Flugplatz räumen. Ganze zwei Tage gab das Ministerium seinerzeit den Behördenchefs noch großzügig Zeit für eine Stellungnahme: "Sollte (…) keine Äußerung von Ihnen vorliegen, gehen wir davon aus, dass Sie mit der US-Planung einverstanden sind." Die örtlichen Kommunalpolitiker waren alles andere als einverstanden mit den Rückzugsplänen der Amerikaner, faxten auf die Schnelle umfangreiche Stellungnahmen nach Mainz, doch der Anfang vom Ende der Bitburger Airbase war längst beschlossene Sache. War zunächst nur von einer "Teil-Rückgabe" die Rede, kam's Anfang Januar 1994 knüppeldick: Bis auf die US-Wohnsiedlung Housing und eine kleine Kommunikationseinrichtung werde das komplette Flugplatzgelände geräumt, hieß es plötzlich. Knapp 500 Hektar, ungefähr die Fläche von 700 Fußballfeldern. Eine Hiobsbotschaft nicht nur für 600 deutsche Zivilbeschäftigte, die damals auf dem Flugplatz ihr Geld verdienten. Weil die Amerikaner nicht nur deutsche Arbeitnehmer beschäftigten, sondern auch zahllose Aufträge an einheimische Firmen vergaben, bei deutschen Häuslebesitzern zur Miete wohnten oder in den Geschäften der Region einkauften, prognostizierten die Kammern bei einem US-Abzug jährliche Kaufkraftverluste von rund 100 Millionen Euro. Und noch einmal 2000 Arbeitsplätze, die mittelbar bedroht seien. Ein Schreckens-Szenario. "Kaum jemand hat daran geglaubt, dass es kurzfristig möglich sein könnte, die sich abzeichnenden dramatischen Folgen der Flugplatzschließung abzumildern oder gar auszugleichen", sagt rückblickend Helmut Berscheid, Verwaltungschef des im März 1994 von den fünf betroffenen Kommunen gegründeten Zweckverbands Flugplatz Bitburg. Nachdem die Amerikaner ihre Schließungspläne bekannt gemacht hatten, ging alles ganz rasch: Schon im Oktober 1993 begann der Abzug der bereits nach dem Golfkrieg reduzierten Kampfflugzeuge von der Bitburger Airbase. Die 22. Staffel, "Bienen" genannt, wurde teilweise nach Amerika zurückbeordert, die restlichen Flieger gingen nach Großbritannien. Am 25. Februar 1994 endete mit der Verlegung der letzten acht Flugzeuge der 53. Jagdstaffel auf die nur wenige Meilen entfernte Airbase Spangdahlem der offizielle Flugbetrieb in Bitburg. Nach und nach räumten auch die letzten US-Soldaten (bis zu 12 000 GIs und Familienangehörige bevölkerten die Eifelstadt) das Feld. Mit der Unterzeichnung der Übergabe-Urkunde durch amerikanische und deutsche Militärs endete vor zehn Jahren die 42-jährige Geschichte des Bitburger US-Flugplatzes. "Das war's. Leider kann ich nicht sagen, bis zum nächsten Mal", verabschiedete damals Ex-Airbase-Ingenieur Walter Becker die zahlreichen Journalisten. Schon Monate vor Beckers wehmütigen Worten hatte hinter den Kulissen die Arbeit an einer zivilen Zukunft des militärischen Areals begonnen. Eine Hamburger Immobilienfirma wurde von der Bundesfinanzverwaltung mit der Vermarktung des Geländes beauftragt. Deren Versuche, einen Großinvestor für die gesamte Liegenschaft zu finden, schlugen allerdings fehl. Blieb nur die Lösung, das südlich von Bitburg an der Bundesstraße 51 gelegene Areal "häppchenweise" an den Mann zu bringen. Aus der Not wurde rasch eine Tugend. Schon nach der ersten Ausschreibung meldeten sich fast 70 Interessenten - die meisten Firmen aus der Region. Ein Fahrzeugbauer aus einem Nachbarort sicherte sich im März 1995 die ersten fünf Hektar ehemaliges Flugplatzgelände. Ein Fensterbauer folgte, später dessen Zuliefererbetrieb. Praktischerweise träumte dessen Chef Willi Käfer, Ex-Fußballer aus Leverkusen, schon lange den Traum einer eigenen Sportschule. Auf der ehemaligen Air Base fand er die gewünschten Flächen, baute ein Jahr an und um, ehe die ersten Profi-Gäste zum Trainingslager eintrudelten: Fortuna Kölns Fußballer mit ihrem damaligen Trainer Bernd Schuster. Seitdem trainiert in Bitburg ein hochkarätiger Kicker-Club nach dem nächsten. Ein ähnliche Erfolgsgeschichte schreiben Willi Burelbach und Peter Heck, die mit ihrem Clubhotel Eifelstern jährlich Zehntausende Feierwillige auf das Flugplatzgelände locken. "163 Betriebe aller Couleur" - vom Dachdecker über den Entsorger bis hin zur Kirchengemeinde oder der Arbeitsvermittlung - seien "hier oben" mittlerweile angesiedelt, sagt Helmut Berscheid vom Zweckverband stolz. 1400 Menschen - mehr als doppelt so viele wie zu Zeiten der Amerikaner - sind beschäftigt. Natürlich blieb auch der Bitburger Flugplatz in den vergangenen zehn Jahren nicht verschont von Pleiten, Pech und Pannen: Der Schaumstoff-Produzent Löhr etwa versprach einst millionenschwere Investitionen und 100 neue Arbeitsplätze. 40 wurden es schließlich nur und die nicht für lange: Nach zwei Jahren meldete das Unternehmen Konkurs an."Bitburg ist Boomtown"

Nicht so recht Tritt fassen kann bislang auch der Bitburger Verkehrsflughafen, Lieblingskind einiger regionaler Politiker und Wirtschaftsvertreter. Ein angesiedelter Flugzeugbauer machte dicht, ein Helikopter-Verkäufer meldete Insolvenz an, und der angeheuerte Flugplatzgeschäftsführer entpuppte sich nach kurzer Zeit als Hochstapler. Trotz der Rück- und Nackenschläge fällt die Zwischenbilanz der Verantwortlichen rundweg positiv aus. "Bitburg ist Boomtown", sagt Bürgermeister Joachim Streit und freut sich, dass auch die Stadt vom Aufschwung auf der ehemaligen Air Base profitiert. "Aus Bitburg ist ein Selbstläufer geworden", meinte erst diese Woche auch der Mainzer Wirtschaftsminister Hans-Artur Bauckhage. Wäre das Modell kopierbar, hätte die Landesregierung angesichts bevorstehender weiterer Truppenreduzierungen eine Sorge weniger.

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