Viele Unternehmen wollen Flüchtlinge einstellen

Trier · Die Bereitschaft zur Integration von Flüchtlingen in den regionalen Arbeitsmarkt ist groß. Allerdings gibt es Knackpunkte: Die Unternehmen wünschen eine noch intensivere Sprachvermittlung und rechtssichere Rahmenbedingungen.

Trier. Wenn die Bereitstellung von Unterkünften für Flüchtlinge als Sprint bezeichnet wird, dann ist die Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt ein Marathonlauf. Bei diesem bildlichen Vergleich stimmen Ministerpräsidentin Malu Dreyer und die anderen Teilnehmer der Diskussion "Perspektiven für Flüchtlinge in der Region Trier" am Montagabend in den Räumen der Handwerkskammer überein. Dorthin hatten die HWK, die Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Agentur für Arbeit gemeinsam mit der Initiative Region Trier und dem Verein Lernende Region Trier eingeladen, um darüber zu diskutieren, wie "die größte Herausforderung seit der deutschen Einheit" bewältigt werden kann. Die Ministerpräsidentin versucht dabei vor allem, Zuversicht zu vermitteln. "Wir haben im Land inzwischen eigentlich alles im Griff", versicherte Malu Dreyer auch angesichts der Atempause, die Rheinland-Pfalz in diesen Tagen gewährt wird. So sei am Montag erstmals seit langer Zeit kein Asylbegehrender von der bayerischen Grenze im Land angekommen. Dass der Zustrom der Menschen dort nicht versiegt, stellt aber ihr bayerischer Amtskollege Horst Seehofer am Dienstag beim Bundesparteitag der CDU klar. Er spricht von zurzeit täglich 3800 bis 5400 Ankömmlingen. So könnte es beruhigen, wenn Dreyer versichert, dass es in Rheinland-Pfalz ausreichend Kapazitäten für die Aufnahme weiterer Menschen gebe. "Wir müssen in der Bewältigung dieser Herausforderung Mut haben, ohne naiv zu sein", appelliert sie an die zahlreichen Unternehmer im Auditorium, die gerne noch mehr Mut zeigen würden, gäbe es nicht Sprachbarrieren, gesetzliche Restriktionen und bürokratische Hürden (siehe unten). Viele Betriebe in der Region würden sofort oder in nächster Zeit Flüchtlinge ausbilden oder einstellen sagen IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Glockauer und HWK-Geschäftsführer Manfred Bitter mit Blick auf aktuelle Umfragen unter ihren Mitgliedsunternehmen. An vielen Baustellen werde gearbeitet, sagt Bitter, der vehement ein Einwanderungsgesetz fordert. "Es muss schneller gehen, wir vergeuden Zeit."Dem will zumindest die Agentur für Arbeit entgegenwirken, wie deren Chef Heribert Wilhelmi versichert. Mehr als 3100 Flüchtlinge hätten 2015 bereits an Informationsveranstaltungen der Agentur teilgenommen. Die Zahl von bislang 900 individuellen Beratungsgesprächen soll ab Januar deutlich erhöht werden. Zumindest an diesem Abend gelten die Flüchtlinge angesichts der niedrigen Arbeitslosenquote in der Region auch als Hoffnungsträger, um den Nachwuchs- und Fachkräftemangel abzuschwächen. "Unser Ziel ist es, jedem, der will und kann, ein Arbeitsangebot zu machen", versichert Glockauer. Landrat Joachim Streit (Eifelkreis Bitburg-Prüm) sieht die Migranten aus dem Nahen Osten und aus Afrika gar als willkommene Möglichkeit, der prognostizierten Entvölkerung ländlicher Regionen entgegenzuwirken. "Seid unerschrocken, wir brauchen die Menschen!", appelliert er und würde anerkannte Flüchtlinge am liebsten zum Bleiben verpflichten. Für Unternehmer und Politiker steht außer Frage, dass zum Bleiben auch Pflichten gehören. Caritasdirektor Bernd Kettern fasst das Ja zu Grundrechten und Gleichberechtigung in den Begriff "Ankommenskultur". So nimmt die Ministerpräsidentin an diesem Abend einige Hausaufgaben mit nach Mainz und in die nächste Versammlung des Bundesrats: Der Ruf nach noch mehr und möglichst früher Sprachqualifikation für Erwachsene und der weitere Zugang junger Erwachsener zum Bildungssystem sind die dringlichsten. Extra

Weniger Freizügigkeit bei der Residenzpflicht von Asylbewerbern wünscht sich der Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm, Joachim Streit. "Auch nach deren Anerkennung." Angesichts der demografischen Entwicklung im ländlichen Raum müsse verhindert werden, dass die Menschen schnell in die Städte abwanderten. Ministerpräsidentin Malu Dreyer lehnt das ab. Flüchtlinge könnten prinzipiell ihren Wohnsitz frei wählen. "Allerdings erhalten sie in der Zeit zwischen Registrierung und Abschluss ihres Asylverfahrens Leistungen nur in Aufnahmeeinrichtungen oder den Kommunen, denen sie zugewiesen wurden." r.n. Extra

Eine genaue Statistik für Asylbewerber und Flüchtlinge im Arbeitsmarkt der Region Trier gibt es nicht. Die Agentur für Arbeit nähert sich dem Thema, indem sie Menschen erfasst, die in den vergangenen zehn Jahren aus den Ländern mit den meisten Asylanträgen kommen. Demnach sind 1774 erwerbsfähige Personen in der Region gemeldet. 1152 von ihnen kommen aus nichteuropäischen Ländern (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia, Syrien). Für diese Gruppe ist das eine Zunahme im Vergleich zum Vorjahr um 772 Menschen (200 Prozent). Die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt hat begonnen, steht aber noch am Anfang. So ist die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse von Menschen aus allen Asylzugangsländern von März 2014 bis März 2015 von 1139 auf 1265 gestiegen. Aus den acht nichteuropäischen Ländern haben zu diesem Zeitpunkt 284 Menschen sozialversicherungspflichtig gearbeitet. 228 waren es ein Jahr davor. Zu beachten sind dabei die rechtlichen Rahmenbedingungen (siehe unten). r.n. Extra

Migranten können nach Auskunft der Agentur für Arbeit unter folgenden Voraussetzungen regulär arbeiten: Anerkannte Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis sind Menschen, über deren Asylantrag positiv entschieden wurde. Sie dürfen jede Beschäftigung annehmen. Es ist keine Arbeitserlaubnis der Ausländerbehörde notwendig. Asylbewerber, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, sowie Personen mit Duldung (Asylantrag abgelehnt, Abschiebung aber ausgesetzt) unterliegen in den ersten drei Monaten ab dem Tag der Registrierung einem Beschäftigungsverbot. Ab dem vierten Monat dürfen sie eine Beschäftigung ausüben. Zuvor wird allerdings geprüft, ob für eine Stelle Deutsche oder EU-Staatsbürger zur Verfügung stehen: Sie haben Vorrang. Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten (Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Montenegro, Albanien, Kosovo, Ghana, Senegal), die nach dem 31. August Asyl beantragt haben, dürfen im Verfahren und bei Ablehnung keine Beschäftigung aufnehmen. Praktika von Asylbewerbern und Geduldeten: Um vorhandene berufsfachliche Kenntnisse von Asylbewerbern festzustellen oder zu vermitteln, ist ab dem vierten Monat nach der Registrierung ein Praktikum (Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung; MAG) möglich. Die Maßnahme muss bei der Agentur für Arbeit beantragt werden. Menschen aus unsicheren Herkunftsstaaten (Syrien, Iran, Irak und Eritrea) können solche Praktika bereits vor Ablauf der dreimonatigen Wartefrist absolvieren. Leiharbeit ist für Asylbewerber und Geduldete nach drei Monaten bei Fachkräften in Engpassberufen und generell nach 15 Monaten möglich. Ab diesem Zeitpunkt entfällt die Vorrangprüfung. . Eine Ausbildung ist für Asylbewerber ab dem vierten Monat erlaubt. Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten (Stichtag 31. August) dürfen während des Verfahrens und bei Ablehnung keine Ausbildung aufnehmen. Geduldete können mit Erlaubnis der Ausländerbehörde eine Ausbildung ab dem ersten Tag der Duldung aufnehmen. red/r.n.

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