Vier Monate für Fausthieb

TRIER. Zu einer Bewährungsstrafe von vier Monaten wegen Körperverletzung ist einer der langjährigen führenden Aktivisten der Trierer Rechtsradikalen-Szene verurteilt worden. Hintergrund ist eine handgreifliche Auseinandersetzung vor dem Konzert eines braunen Liedermachers.

Wenn beim Trierer Amtsgericht über die juristische Ahndung eines Faustschlags verhandelt wird, der beim Opfer für ein blaues Auge sorgte, finden die Verfahren meist jenseits der Öffentlichkeit statt und sind nach einer Stunde beendet. Anders ist es, wenn die Politik ins Spiel kommt. Dann kann ein vergleichsweise unbedeutendes Delikt einen kompletten Gerichtssaal füllen. So wie gestern beim Prozess gegen Philipp V., einst hoher NPD-Funktionär auf Landesebene und nach Einschätzung seines Anwalts "nach außen als Führer der jungen nationalen Szene in Trier eingestuft". Von Zeit zu Zeit organisierte der 22-Jährige Gastspiele von Liedermachern aus der rechten Szene. Man traf sich unter konspirativen Umständen, lud über Internet und Handy an neutrale Plätze ein, von denen aus es dann zum geheim gehaltenen Veranstaltungsort ging, stets belauert von der "Antifa-Szene", einer Gruppe radikaler Neonazi-Gegner. Bei einem solchen Treffen auf dem Post-Parkplatz am Trierer Hauptbahnhof kam es im Juli vergangenen Jahres zur Eskalation. Folge: eine massive Platzwunde bei einer Gegendemonstrantin, offenkundig verursacht durch einen Schlag von V. Der wiederum machte Notwehr geltend, schließlich sei er selbst attackiert und mit Kampfspray besprüht worden. So marschieren acht Zeugen auf, mal zur Be-, mal zur Entlastung benannt. Auch das Publikum teilt sich in unterschiedliche "Fraktionen", so dass die junge Richterin Lisa Winterholler ("So eine Zuhörerschaft habe ich noch nie gehabt") von Zeit zu Zeit resolut auf die Einhaltung der gerichtsüblichen Regularien drängen muss. Die Beweisaufnahme gestaltet sich mühevoll, vor allem bei V.s Entlastungszeugen aus der "Szene". Sie verheddern sich derart in Widersprüche, dass die Richterin die Anfertigung von Wortprotokollen anordnet, später in der Urteilsbegründung von "dreisten Lügen" spricht und ankündigt, die Einleitung von Verfahren wegen Falschaussage zu prüfen. Auch die Zeugen der Anklage hätte man sich ergiebiger gewünscht. Die Verteidigung weist auf Detail-Widersprüche in den Aussagen des Opfers hin und fordert Freispruch für ihren Mandanten. Aber die Staatsanwaltschaft und letztlich auch das Gericht sehen keinen Grund, an den Kern-Aussagen der 25-jährigen Studentin zu zweifeln, die von V. niedergeschlagen worden war. "Rechte Szene, linke Szene, das interessiert mich nicht", sagt die Richterin, relevant sei "nur das konkrete Verhalten". Und da finde sie keinen glaubhaften Anhaltspunkt für eine Notwehrlage. Und selbst wenn sich V. in Notwehr geglaubt habe, erlaube das Gesetz nicht, "einfach jemanden niederzuschlagen". Trotz einer einschlägigen Vorstrafe belässt es Winterholler bei einer niedrigen Bewährungsstrafe, koppelt sie aber mit der Auflage von 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit.

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