Vollblut-Politiker

Mit einem Großaufgebot rückte das Rote Kreuz diese Woche zum Plenum des Mainzer Landtags an: Nicht, dass der ein oder andere Abgeordnete bis zur Erschöpfung getagt oder es gar bei der Auseinandersetzung im Parlament Verletzte gegeben hätte (jüngste Keilereien in der russischen Duma lassen grüßen!

), die Rotkreuzler waren vielmehr auf der Suche nach - "Vollblut"-Politikern. Die Volksvertreter sollten zur Ader gelassen werden, um mit gutem Beispiel voran zu gehen, spenden doch nur noch fünf von 100 Einwohnern den so wichtigen und gefragten Lebenssaft. Symptomatisch bei der Aktion war daher das Verhalten von SPD-Fraktionschef Joachim Mertes. Ansonsten stets mit Vorwärtsdrang und lockeren Sprüchen ausgestattet, brauchte der frühere Hauptfeldwebel im Abstand von mehreren Stunden zwei Anläufe, um sein ängstliches Misstrauen gegen Piekser und sonstiges Medizinisches zu überwinden. Anschließend gab es dafür reichlich Lob für die "Tapferkeit" vor dem Freund, persönliche Betreuung von einer Ärztin und Apfelsaft-Schorle zur Regeneration vom Verlust eines wertvollen halben Liters. Weitaus undramatischer verlief der Aderlass bei seinem CDU-Kollegen Christoph Böhr und Abgeordneten wie Herbert Schneiders, Herbert Jullien, Dieter Schmitt oder Dieter Burgard. Das Blut der zur Ader gelassenen Parlamentarier sei mal mehr und mal weniger rot, teils sogar schon fast schwarz gewesen, berichtete DRK-Präsident Klaus-Dieter Uelhoff anschließend augenzwinkernd. Befürchtungen, dass unter dem allgemeinen Blutverlust die Qualität der Debattenbeiträge leide, bestätigten sich nicht. Ob mit oder ohne Spende, die Reden im Landtag bringen ohnehin höchst selten Blut in Wallung. Dies könnte allerdings auch an gewissen Hörproblemen liegen, wie ein gleichzeitig angebotener Test der Fördergemeinschaft Gutes Hören zeigte. 30 bis 40 Prozent leiden unter Hörminderung, so die Akustikspezalisten, die regelmäßig in den Parlamenten der Republik zum Test auftauchen. Dass viele Politiker nicht hören wollen oder zumindest auf einem Ohr schwerhörig sind, wird bereits seit langem gemunkelt. Jetzt wurde es auch noch manchen schwarz auf weiß bestätigt.

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