Vom Glühbirnenverbot bis zum Ölkännchenbann

Brüssel · Immer mehr Bürger finden weltfremd, was Brüssel so treibt. Eine steigende Zahl von Europäern verbindet die EU primär mit Überregulierung statt mit Frieden, Freizügigkeit und Wohlstand. Das soll sich in Zukunft ändern.

Brüssel. Es sind oft kleine Dinge, die Europa großen Image-Schaden zufügen: so wie die Salat-Revolution. Da probten Abgeordnete und Parlamentsmitarbeiter jüngst den Aufstand, weil das Grünzeug in der defizitären Kantine nicht mehr zum Einheitspreis von gut zwei Euro verkauft wird. Es muss neuerdings nach Gewicht bezahlt werden. Die Folge: Wer viel drauflädt, zahlt mehr. "Unerhört" finden die Eurokraten, was außerhalb der Brüsseler Institutionen gang und gäbe ist.
Kein Wunder, dass immer mehr Bürger weltfremd finden, was in Brüssel so abgeht. Die Überregulierung sorgt für Frust ohne Ende.
Schuld daran sind Regeln wie das Glühbirnenverbot oder der Bann offener Ölkännchen auf Restaurant-Tischen. Letzterer war zwar ganz nach dem Geschmack der Olivenöl-Produzenten des Südens. Massive Proteste im Rest Europas und im Parlament bewegten die Kommission jedoch dazu, die Pläne wieder einzukassieren. Kritik an der Brüsseler Einmischung in Alltagsdinge ist längst nicht mehr ein Alleinstellungs-Merkmal von Populisten und EU-Skeptikern. Auch die etablierten Parteien fordern in ihren Wahlprogrammen, dass Brüssel sich auf jene großen Fragen konzentrieren soll, wo gemeinsames Vorgehen Mehrwert bringt - so wie Außen- oder Handelspolitik.
Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat das Problem erkannt - und will Europas Ruf aufpolieren.
Europawahl 25. Mai 2014


So schaffte er die Gurkenkrümmungsregeln ab, die lange als Paradebeispiel für Irrsinn aus Brüssel herhielten. Er musste dabei übrigens erheblichen Widerstand der Hauptstädte überwinden. Denn die Handelsunternehmen befürworteten die Vorschriften, weil dann immer die gleiche Anzahl Gemüse druck-stellenfrei in eine Kiste passt.
Sicherheitsnorm für Föhne


Barroso ersann gar ein Programm zur EU-Selbstbeschränkung: Refit, heißt es im EU-Jargon. Konkret bedeutet es, dass die Kommission überflüssige Regelungen zurücknimmt oder nicht weiterverfolgt - so etwa Sicherheitsnormen für das Schuhwerk und die Föhne von Frisören. Die Behörde will Abschied nehmen vom alten Credo: Je mehr Regulierung desto mehr Europa. Das Problem: so richtig sieht der Verbraucher davon nichts. Denn kaum war Refit verkündet, wurden neue Effizienzregeln für Staubsauger und Kaffeemaschinen bekannt.
Die Wurzel des Übels heißt Ökodesign-Richtlinie, auf der auch das Glühbirnenverbot fußte. Mit ihr setzt die EU-Kommission Mindestanforderungen für den Energieverbrauch von Verbraucherprodukten bis hin zu großen Industriemaschinen.
Das läuft auf ein Verbot aller Produkte hinaus, die diese Anforderungen nicht erfüllen. Die Bann-Liste wird immer länger. "So verliert die EU weiter an Zuspruch und Vertrauen", wettert der FDP-Spitzenkandidat für die Europawahl, Alexander Graf Lambsdorff. Er fordert: "Diese absurde Richtlinie muss endlich zurückgenommen werden."
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige Umweltminister Sigmar Gabriel setzten die "Ökodesign-Richtlinie" übrigens unter deutschem EU-Vorsitz 2007 maßgeblich mit durch. Und auch das Europaparlament fiel bisher nicht unbedingt als standhafter Vorkämpfer gegen Bevormundungsgesetzgebung auf. Schließlich geht es ja um wichtige Dinge wie Klimaschutz und Ressourcenschonung. Die EU-Kommission betont, sie habe gute Fortschritte erzielt. Seit 2005 seien 5590 Rechtsakte aufgehoben worden. Zwischen 2007 und 2012 habe sich der Verwaltungsaufwand für Unternehmen zudem um mehr als ein Viertel verringert. Maßgeblichen Anteil daran hat Edmund Stoiber. Der ehemalige bayerische Ministerpräsident leitet seit 2007 eine ehrenamtliche Expertengruppe, die das Brüsseler Paragrafendickicht für Europas 23 Millionen Firmen lichten soll. So musste etwa ein Schreiner aus Garmisch-Partenkirchen, der lokal arbeitet und nur gelegentlich einen Schrank nach München liefert, trotzdem einen digitalen Tachografen einbauen, um EU-Regeln über Lenkzeiten zu genügen. Diese Pflicht ist nun abgeschafft.
Vorschläge vom Stoiber-Team


300 Vereinfachungsvorschläge dieser Art hat Stoibers Team gemacht, von denen die wichtigsten umgesetzt sind. Für Europas Unternehmen bedeutet das eine Entlastung von 32,9 Milliarden Euro - für deutsche Firmen sechseinhalb Milliarden. Im Oktober legt Stoiber seinen Abschlussbericht vor. Sein Fazit: es bleibt noch viel zu tun.
Zum Glück sorgt das Argusauge der Öffentlichkeit immer öfter für heilsamen Handlungsdruck - nicht nur bei den Olivenölkännchen. Weit mehr als eine Million Unterschriften brachte die erste erfolgreiche Bürgerinitiative zustande - gegen die EU-Konzessionsrichtlinie.
Es ging um den Kampf gegen die mögliche Privatisierung der kommunalen Wasserversorgung durch Brüsseler Vorschriften. Auch das EU-Parlament machte mobil.
Am Ende nahm Binnenmarktkommissar Michel Barnier die Wasserversorgung aus der Richtlinie aus - auch wenn er behauptete, die Ängste seien völlig unbegründet gewesen.

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