Vom Schicksal ausgewählt

TRIER. "Super-WG gesucht!" Auf diese Aufforderung des Magazins "Uni-Spiegel" bewarben sich etliche Wohngemeinschaften quer durch Deutschland. Doch nicht die Studenten-WG, die in einer Stadtmauer wohnt, oder die WG, in deren Küche ein Bierkühlschrank steht, sondern eine liebenswerte Wohngemeinschaft in Trier hat das Rennen gemacht.

Ein voller Kasten Jever, ungespülte Töpfe und eine halb leere Packung Spaghetti. Der Duft frischen Kaffees liegt in der Luft. Die Tassen stehen schon bereit - der Trierer Weihnachtsmarkt lässt grüßen. Den langen Küchentisch zieren Brot-Krumen, Tabak-Päckchen und eine Tüte O-Saft. Eine ganz normale Studenten-Wohngemeinschaft. Und doch unterscheidet sich diese Trierer WG von tausenden anderen in Deutschland. Die WG von Jan-Christoph, Miriam, Tino, Markus, Judith und Alex ist gerade vom "Uni-Spiegel", der zweimonatlichen Beilage des "Spiegel" (sofern man ein Studenten-Abo hat), zur Super-WG gekürt worden.Aber was ist so super an den sechs Studenten? Mussten sie für die Auszeichnung nackt auf dem Tisch tanzen, 24 Stunden Dauer-Party machen oder einen Zapf- statt eines Wasserhahns in der Küche haben? "Wir wurden vermutlich ausgewählt, weil wir die heterogenste Gruppe sind. Wir studieren alle etwas anderes und bieten bestimmt Stoff für genug bescheuerte Geschichten", sagt Jan-Christoph. Ganz normale Geschichten wie: Wer hält sich nicht an den Putzplan, wer ist am Rande des Wahnsinns wegen einer bevorstehenden Prüfung, wer hat Liebeskummer.Bewerbung über Nacht gebastelt

Jan-Christoph, der 28-jährige Innenarchitektur-Student, war es, der seiner WG zu diesem deutschlandweiten Ruhm verholfen hat. Der Aufruf "Super-WG gesucht!" fiel zuerst seinen Mitbewohnern in die Hände. Denen war sofort klar, "wenn Jan-Christoph das sieht, dann will der hundert Pro da mitmachen", erinnert sich Tino. So kam es auch. Jan-Christoph, der sich selbst gelegentlich als Giftzwerg bezeichnet, bekam den Artikel in die Finger und war sofort hin und weg. Im Rausch der Begeisterung bastelte er noch nachts eine Bewerbung zusammen und mailte sie an die "Uni-Spiegel"-Redaktion.Als er dann aus Hamburg den Anruf bekam: "Ihr habt gewonnen. Ihr seid die Super-WG", hat es selbst dem schlagfertigen Münsteraner die Sprache verschlagen. "Zuerst dachte ich, da verarscht mich einer", erinnert er sich. Ganz sicher war er sich erst, als der "Spiegel"-Redakteur Per Hinrichs auf der WG-Matte stand.Ein Jahr wird der Redakteur die Trierer WG begleiten. Alle zwei Monate kommt er aus dem hohen Norden nach Trier und verbringt zwei Tage und eine Nacht in der Super-WG. Zwei Besuche haben die Studenten bereits hinter sich. "Das geht immer ganz locker zu", erzählt Markus, Student der Umwelt-Geografie. "Das ist dann keine reine Interview-Situation, sondern das entwickelt sich alles in der Situation. Per ist wie ein befreundeter Gast."Wenn der Hamburger vorbei kommt, freuen sich die sechs Mitbewohner. Und das nicht nur, weil er so ein netter Kerl ist ("Den hätten wir auch als Mitbewohner genommen"), sondern auch, weil er vorher immer einkaufen geht.Seit drei Jahren wohnen der Innenarchitektur-Student, die Fremdenverkehrs-Geografie-Studentin, der Soziologie-Student, der Umweltgeografie-Student und die Psychologie-Studentin zusammen. Neu im Bund ist Alex. Seitdem teilen sie sich eine 180 Quadratmeter-Altbauwohnung am Trierer Martinsufer. "Aber eigentlich gibt es die WG schon länger", sagt Tino. "Vorher wohnten wir in einer Dreier- und einer Zweier-WG auf dem selben Flur. So haben wir uns auch kennen gelernt", erzählt Markus weiter. Obwohl ein Hausflur zwischen den Freunden lag, waren sie auch damals schon eine Wohngemeinschaft."Doch zwei Küchen zu haben, war saublöd", sagt Jan-Christoph und fügt hinzu: "Wir leben zusammen wie eine Familie - aber ohne den ganzen Terrorscheiß. Man kann wohl sagen, das Schicksal hat uns zusammen gecastet."Doch die Super-WG hat vermutlich die längste Zeit in dieser Konstellation zusammen gewohnt. Langsam aber sicher werden alle mit ihrem Studium fertig. "Das soll unser Abschluss-Gag werden", sagt Jan-Christoph. Auch Tino, der gerade seine Diplomarbeit in Soziologie plant, stimmt ihm zu: "Da hat man später etwas über seine WG-Zeit zu erzählen. Aber es ist schon ein komisches Gefühl, die Zeitung aufzumachen und seine eigene Hackfresse zu sehen."

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