Vom Wert der Täler und Berge

Trier/Mainz · Wie empfindlich sind unsere Landschaften, wenn es um Windräder geht? Diese Frage beantwortet ein neues Gutachten. Welche Schlüsse daraus gezogen werden, ist allerdings noch offen.

Trier/Mainz. Genießerisch schweift der Blick durch das weit geschwungene Moseltal, streift Burgruinen und idyllische Fachwerkhäuser, gleitet an unzähligen Rebstöcken vorbei und prallt schließlich staunend gegen einen Steilhang. Landschaft kann so viel mehr sein als ein Wirtschaftsraum. Landschaft ist Heimat, Kultur, ein Fest für die Sinne.
Deshalb gelten "historische Kulturlandschaften" auch schon länger als schützenswert. Genau definiert war dieser Schutzgedanke für Rheinland-Pfalz bisher allerdings nicht. Das hat sich gestern geändert. Denn im Rahmen der höchst emotionalen Debatte darüber, wo Windräder erlaubt sein sollten und wo nicht, war eine solche Definition dringend erforderlich. Auch, um den Kommunen Planungssicherheit zu schenken.
"Unsere Kulturlandschaften prägen das Selbstverständnis von Rheinland-Pfalz und seine Identität. Wir suchen die Räume, wo Windenergie und Landschaft gut zusammenpassen", sagt die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke. Ein von ihr in Auftrag gegebenes "Kulturlandschafts-Gutachten" stellt nun empfehlend dar, wo Windkraft ausgeschlossen sein sollte.
Die Grünen-Ministerin bevorzugt die kleine Variante, nach der lediglich neun Prozent der Landesfläche unter Schutz gestellt würden. Die Autoren des Gutachtens hingegen sprechen sich an erster Stelle für eine Lösung aus, die 13,6 Prozent der Landesfläche schützt. Anders als Lemke würden sie nicht nur die Landschaften mit "herausragender" und "sehr hoher Bedeutung" windradfrei halten, sondern auch jene, die lediglich eine "hohe Bedeutung" haben. Die Kulturlandschaften der Region wurden folgendermaßen klassifiziert:
Herausragende Bedeutung haben die Moselschlingen der Mittelmosel, das Cochemer Moseltal sowie das untere Moseltal. Gründe für diese Einstufung sind der typische Steillagenweinbau, die hohe Dichte von historischen Dorf- und Stadtkernen, bedeutende Baudenkmäler und ausgeprägte Talmäander.
Sehr hohe Bedeutung haben die Dauner Maare und Berge, sind sie doch ein altbesiedeltes vulkanisches Bergland, das dank der ungewöhnlichen Vulkanseen und kulturhistorischen Zeugnisse etwas Besonderes ist. Auch Our- und Sauertal (lang überlieferte Nutzungsweise, archäologische Zeugnisse), das Trierer Moseltal mit seinen Unesco-Welterbestätten und das untere Saartal (Engtal mit historischen Orten und Steillagenweinbau) gehören in diese Kategorie.
Für die bis hierher genannten Landschaften wäre Windkraft auch in der kleineren Variante tabu. Die Gutachter schlagen jedoch vor, auch die Kulturlandschaften von hoher Bedeutung unter Schutz zu stellen.
Hohe Bedeutung haben: das Ueßbachbergland und die nördliche Öfflinger Hochfläche in der Vulkaneifel mit ihren typisch vulkanischen Landschaftselementen, das bewaldete Liesertal mit so herrschaftlichen Denkmälern wie den Manderscheider Burgen, das Ferschweiler Plateau und das Prümtal (alte Kulturlandschaft mit hohem Anteil archäologischer Zeugnisse), das vom Weinbau geprägte Ruwertal, der Wiltinger Hunsrückrand an der Grenze zwischen Saar und Hunsrück mit seinen typischen, noch immer genutzten Niederwäldern sowie die tief eingeschnittenen und von der Moderne nahezu unberührten Kerbtäler des Moselhunsrücks.
Lediglich eine gehobene Bedeutung, die Windräder daher wahrscheinlich nicht ausschließt, schreiben die Gutachter folgenden Landschaften zu: das Trier-Ehranger Moseltal, dessen historischer Charakter nur noch eingeschränkt sichtbar ist und die relativ intensiv genutzte Hochfläche des Moselhunsrücks.
Bei alledem handelt es sich Lemke zufolge um Empfehlungen. Die eigentliche Entscheidung fällt in der regionalen Planungsgemeinschaft. Diese muss (spätestens in den kommenden 16 Monaten) für den Raumordnungsplan der Region Trier festhalten, welche Kulturlandschaften nicht für Windkraft zulässig sind. Darüber, was dabei herauskommen könnte, lässt sich derzeit nur spekulieren. Denn bevor es so weit ist, werden innerhalb dieses Gremiums, in dem Politiker ganz verschiedener Couleur sitzen, wohl noch ziemlich viele Argumente ausgetauscht. Mit einer endgültigen Entscheidung ist - bei aller Eile - frühestens im Herbst zu rechnen.
"In einigen Fällen wird es sicher zu Konflikten kommen", sagt Aloysius Söhngen, stellvertretender Landesvorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes und selbst Regionalvertreter der Planungsgemeinschaft. Dennoch hält er das Gutachten für eine wichtige Entscheidungsgrundlage.

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