Von der Polizei bis zur Bank: Wo das Tattoo zur Jobfalle wird

Trier/Mainz · Sichtbare Motive können stören. Bei den Gesetzeshütern im Land wackeln strenge Regeln.

 Auf der Arbeit sind solche Körperkunstwerke wie hier auf der Tattoo-Convention in Frankfurt am Main nicht immer gerne gesehen.

Auf der Arbeit sind solche Körperkunstwerke wie hier auf der Tattoo-Convention in Frankfurt am Main nicht immer gerne gesehen.

Foto: Boris Roessler (g_freiz )

Mesut Özil trägt einen Löwen auf dem Oberarm, Jérôme Boateng den Umriss von Afrika: Wenn die deutschen Kicker spielen, sind Tätowierungen nicht zu übersehen. Galt die Körperbemalung früher als Merkmal von Häftlingen und Seemännern, kommt sie immer mehr in der Gesellschaft an. Jeder fünfte Deutsche ist nach einer Studie der Uni Leipzig tätowiert und gut die Hälfte aller Frauen zwischen 25 und 34 Jahren. Der große Haken: In manchen Jobs sind sichtbare Tattoos noch ein Tabu.
Wie bei rheinland-pfälzischen Polizisten, die Tätowierungen nur tragen dürfen, wenn sie im Dienst mit Arbeitskleidung zu verdecken sind. Wer auf Gesicht, Hals oder Unterarmen bemalt ist, muss Abschied vom Polizei-Traum oder vom Tattoo nehmen.
Das strenge Verbot könnte aber bald kippen. Eine Arbeitsgruppe der Landespolizei erhebt, wie tätowierte Polizisten auf die Bevölkerung wirken. Ende des Jahres sollen die Ergebnisse vorliegen, teilt Innenminister Roger Lewentz (SPD) auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordneten Pia Schellhammer mit. Baden-Württemberg preschte in dieser Woche vor und erlaubt den Polizisten künftig, sich sichtbare Tattoos stechen zu lassen - in dezenter Größe. Bei der Bundespolizei ist das strikte Verbot bereits aufgehoben. In Rheinland-Pfalz ist die Polizei gespalten, wohin der Weg gehen soll: Befürworter sagen, die Gesellschaft habe sich gewandelt, Tattoos zählten zum Alltag. Kritiker warnen, Polizisten könnten gerade bei älteren Menschen im ländlichen Raum an Akzeptanz verlieren.
Doch nicht nur bei der Polizei können offen zur Schau gestellte Tattoos zur Jobhürde werden, sagt Karriereberaterin Kerstin Seidel. "Probleme kann es in Branchen geben, wo konservative Produkte für konservative Zielgruppen verkauft werden, wie bei Banken und Versicherungen", sagt die Triererin. Ihre Erfahrung zeige, dass sichtbare Tattoos manches Unternehmen abschreckten, auch wenn das niemand offen sagen werde.
Arbeitgeber im Land sind bei der Tattoo-Frage offenkundig hin- und hergerissen. Eine Sprecherin des Sparkassenverbandes teilt mit, dass jedes Institut die Frage nach Erscheinungs- und Kleidungsregeln eigenständig beantworte. Die Bandbreite sei breit gefächert. "Es gibt Institute, die gänzlich auf Vorgaben für ihre Mitarbeiter verzichten, solche, die ihren Mitarbeitern lediglich Kleidungsempfehlungen vorgeben und eben auch Institute, die das sichtbare Zeigen von Tattoos untersagen." Eine übergeordnete Anweisung erteilt auch die Landesärztekammer nicht. Deren Vorsitzender, der Trierer Günther Matheis, empfiehlt Ärzten aber, sichtbare Tattoos mit Arbeitskleidung zu bedecken. Die Patientenbetreuung lebe von Nähe und Vertrauen - die Körperbemalung könnte ältere Generationen irritieren. Lockerer sei der Umgang mit Tätowierungen in der Gastronomie geworden, sagt Gereon Haumann, Landeschef des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Es gebe Betriebe, bei denen Körperbemalung verdeckt werden müsse, aber auch solche, die mit tätowierten Küchenchefs neue, junge Zielgruppen ansprechen wollen.
Karriereberaterin Seidel rät Bewerbern, in Vorstellungsgesprächen offen mit dem eigenen Tattoo umzugehen. Geht es darum, Tattoos zu verdecken, könnten Firmen dies durchaus verlangen, wenn sie ein berechtigtes Interesse vorbringen könnten, sagt der Saarburger Arbeitsrechtler Gerd Müller. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf gab hingegen jüngst einem Polizei-Anwärter recht, der wegen eines großen Löwentattoos nicht zum Auswahlverfahren zugelassen wurde.

Extra:Trierer Tätowiererin: Auf das Motiv kommt's an!

Mia Strothotte tätowiert jeden Tag in ihrem Trierer Studio und sagt: "Wir haben Kunden aus allen Gesellschaftsschichten, vom Arbeitslosen bis zum Millionär." Wichtig findet sie für Jobs, was das Motiv zeigt. "Ich würde auch die Grenze ziehen, wenn jemand im Altersheim arbeitet und sich den Sensenmann auf den Unterarm tätowiert hat." Bei der Landespolizei verboten sind bei nicht sichtbaren Tattoos Motive, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen, sexuell, diskriminierend oder gewaltverherrlichend sind. Mehr zum Thema

Hintergrund: Soll das Land Polizisten erlauben, Körperbemalung sichtbar zu tragen? Bei Gewerkschaften und Parteien bröckelt der Widerstand. Pro-Kommentar: Tattoos? Klar, wir haben doch 2017!
Kontra-Kommentar: Tattoos sind für Polizisten tabu

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort