Von Menschenfressern keine Spur

TRIER. "Unglaubliche Verbrechen", "kaum vorstellbare Brutalität", "perverser Kult" - so berichtete das ZDF vor einem Jahr über Kannibalismus in Deutschland im Allgemeinen und in Trier im Besonderen. "Überhaupt nichts dran", sagt nun die Staatsanwaltschaft Trier nach fast zweijährigen Ermittlungen.

Die Trierer Staatsanwaltschaft hat das seit April 2002 laufende "Satanismus-Verfahren" eingestellt. Es hatte vor einem Jahr für Aufsehen gesorgt. "ZDF Reporter" hatte über Kannibalismus in Deutschland berichtet und als Kronzeugin eine damals 34-jährige Frau angeführt, die von Kannibalismus erzählte, den sie angeblich in ihrer Kindheit erlebt hatte. Kindheit und Jugend hatte sie in Trier verbracht, so dass sich die Moselstadt auch dank einer vorab in der "Bild" lancierten Meldung bundesweit als Zentrum der Menschenfresserei dargestellt sah."Tatorte", die keine waren und "Täter" mit Alibis

Von satanistischen und kannibalistischen Handlungen war im Bericht der Frau die Rede, von einer Sekte, zu der ihre Verwandten gehörten und die schwarze Messen zelebrierte, Kinder tötete und Menschen zersägte.Glaubwürdiger gemacht hatte ZDF-Reporter Rainer Fromm seine Geschichte, weil er sich auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Trier berufen konnte. "Wir haben unsere Pflicht getan", sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Roos, und meint damit die umfangreichen Ermittlungen nach der Anzeige der Frau. Für Roos steht fest: "Von den behaupteten Handlungen ist nichts übrig geblieben." Die Tatorte - unter anderem in Trier, Idar-Oberstein und in einer alten Fabrik beim belgischen Lüttich - habe es gegeben, so der Oberstaatsanwalt. Doch bei der Prüfung der angeblichen Abläufe gab es erste Zweifel. Dort, wo laut der Frau Menschen mit der Kreissäge zerstückelt worden sein sollen, habe es zum angeblichen Tatzeitpunkt keinen Stromanschluss gegeben. Auch die des Kannibalismus und des sexuellen Missbrauchs beschuldigten Verwandten der Frau ließen sich in keiner Weise "überführen". Roos: "Die Alibi-Überprüfung ergab hieb- und stichfest, dass die beschuldigten Personen nicht an Tathandlungen beteiligt waren.""Tatorte", die keine waren und "Täter" mit Alibis - bleibt die Frage, ob die Frau überhaupt glaubwürdig ist. Die Staatsanwaltschaft hat dazu vom Institut für Gerichtliche Psychologie und Psychiatrie der Saar-Uni ein Gutachten erstellen lassen. Gleich mehrere Sachverständige haben die Frau laut Roos "aussagepsychologisch, testpsychologisch und psychiatrisch untersucht". Auf 238 Seiten kommen die Gutachter zum Schluss, dass die Anschuldigungen der Frau "mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf einem konkreten Erfahrungshintergrund beruhen", sagt Roos, der keine weiteren Angaben zum Gutachten machen will. Im Klartext: Was die Frau erzählt, ist nie passiert. Als unglaubwürdig wird sie aber nicht eingestuft: Hätte sie die Staatsanwaltschaft wissentlich belogen, dann würde nun ein Verfahren wegen falscher Verdächtigungen eingeleitet. Das aber, sagt Roos, geschehe nicht, "weil sie persönlich überzeugt ist, die Wahrheit zu sagen". Genauen Aufschluss über die Hintergründe der Horrorgeschichten gibt es also trotz der eingestellten Ermittlungen nicht. Klar ist nur, dass sie nie passiert sind.Das ZDF hält an seiner Darstellung fest, wie Günther Neufeld, stellvertretender Redaktionsleiter von "ZDF Reporter", dem TV sagte. Bundesweit liefen ja auch noch andere Ermittlungen wegen ritueller Morde. Oberstaatsanwalt Horst Roos ist nicht gut auf den Sender zu sprechen. "Wäre etwas dran gewesen, hätte der Bericht die Ermittlungen erheblich gefährdet", sagt Roos. "So war es nur eine Veröffentlichung zur Unzeit, die die Öffentlichkeit unnötig beunruhigt hat." KOMMENTAR SEITE 2

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