Warum Polizisten immer öfter Opfer von Gewalt werden

Trier · Jung, männlich, polizeibekannt, betrunken: So lautet die typische Beschreibung von jemandem, der Polizisten angreift. Beamtinnen und ältere, kleinere, leichtere Männer haben ein geringeres Risiko, im Job verletzt zu werden als andere. Dies sind Ergebnisse einer Studie, deren Autoren dringend zu mehr Alkoholprävention raten.

Trier. "Betrunkener randaliert bei Festnahme" oder "Mit Nägeln beschossen und gegen den Kopf getreten - Polizisten als Opfer". Wer in den vergangenen Wochen die Polizeimeldungen im Trierischen Volksfreund verfolgt hat, muss zu dem Schluss kommen, dass diejenigen, die die Staatsgewalt repräsentieren, selbst immer häufiger zum Opfer von Gewalt werden. Und dieser Eindruck ist richtig. Denn tatsächlich lässt sich nachweisen, dass die Gewalt gegen Polizisten zugenommen hat.
Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen hat diesem Thema eine groß angelegte Studie gewidmet, deren Ergebnisse 2012 in einem Buch veröffentlicht wurden. Auch rheinland-pfälzische Polizisten haben sich daran beteiligt. Die Kriminologen haben Folgendes herausgefunden:

Werden Beamte heute öfter angegriffen als früher?
Ja. 2005 hatten "nur" 2,6 Prozent der deutschen Beamten einen gewaltsamen Übergriff erlebt, der sie für mindestens einen Tag berufsunfähig gemacht hatte. 2009 waren es bereits 4,5 Prozent. Auch die aktuellsten Zahlen aus Rheinland-Pfalz legen nahe, dass es sich um einen Trend handelt: 2011 ist die Zahl der Gewalttaten gegen Polizisten im Vergleich zum Vorjahr um 120 gestiegen.

Wer sind die Täter?
Die Täter sind zu einem großen Teil junge Männer, die alleine handeln und unter Alkoholeinfluss stehen. Drei von fünf Gewalttätern sind deutscher Herkunft. Zwei Drittel der Angriffe werden von Menschen verübt, die bereits polizeibekannt sind.

Welche Motive haben sie?
In knapp 40 Prozent der Fälle wollten sich die Täter gegen ihre Festnahme zur Wehr setzen. In 30 Prozent der Fälle nahmen die Beamten an, dass das Motiv eine Feindschaft gegenüber der Polizei oder dem Staat war. Dies ist besonders oft bei Tätern mit ausländischer Herkunft und bei Demonstranten der Fall.

In welchen Situationen werden Polizisten angegriffen?
Am häufigsten geschieht dies bei Festnahmen oder der Überprüfung Verdächtiger - und oft in Situationen, die den Beamten ungefährlich erscheinen. Auffällig gestiegen ist die Zahl der Übergriffe bei öffentlichen Veranstaltungen. Die Forscher führen dies darauf zurück, dass sich die Freizeitaktivitäten immer stärker in den öffentlichen Raum verlagert haben. Auch bei der Schlichtung von Familienstreitigkeiten sind Polizisten öfter zur Zielscheibe geworden. Nur bei 19 Prozent der Angriffe wurden Waffen benutzt.

Wer ist besonders gefährdet?
Jüngere Beamte werden häufiger angegriffen als alte, größere und schwerere öfter als kleine und leichte. Warum, ist noch nicht erforscht. Auffällig ist: Frauen haben ein geringeres Risiko zum Opfer zu werden - und auch Männer, die in Begleitung einer Frau im Einsatz sind, werden seltener verletzt. Diejenigen, die im Einsatz- oder Streifendienst tätig sind, haben generell ein höheres Risiko als andere.

Welche Rolle spielt Alkohol?
"Alkohol ist der Gewaltbeschleuniger schlechthin", sagt die Diplom-Psychologin Karoline Ellrich, Mitautorin der Studie. In der Region Trier standen 2011 rund 80 Prozent der Täter, die Polizisten angegriffen haben, unter Alkoholeinfluss. Der Studie zufolge war der Wert zwischen 2005 und 2008 von 67 auf 76 Prozent gestiegen. Das liege jedoch nicht daran, dass immer mehr Menschen Alkohol trinken, sondern dass sich die Konsummuster geändert haben (sogenanntes Koma- oder Rauschtrinken) und sich der Alkoholkonsum zunehmend auf Bevölkerungsgruppen konzentriert, die ohnehin eine geringere Kontrolle über ihr Verhalten haben. Daher raten die Forscher dringend zu verstärkter Prävention - sei es über Aufklärungskampagnen, Verkaufs- oder Werbeverbote oder Preiserhöhungen.

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