Was passierte nach der Fastnachts-Party?

TRIER. Wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung muss sich ein 28-jähriger Trierer vor dem Landgericht verantworten. Er soll im Februar 2005 seine damalige Lebensgefährtin bedroht, eingesperrt und misshandelt haben.

Richard S. ist nervös. Pausenlos trommeln seine Füße auf den Boden, gelegentlich klappert die Fußfessel im Takt. Mal rollt er den Kopf wie ein Fußballer beim Aufwärmtraining, mal verbirgt er ihn in den Armen. Er ist nicht besonders groß, "fast 1,70", antwortet er auf eine entsprechende Sachverständigen-Frage. Komplexere Fragen muss man ihm oft zweimal stellen. Ob er den Inhalt von der Auffassungsgabe her nicht versteht oder ob er einfach unkonzentriert ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Er weiß offenkundig, worum es für ihn geht. Freiheitsberaubung, gefährliche Körperverletzung, Nötigung, Vergewaltigung: Da steht eine mehrjährige Haftstrafe auf dem Spiel. Die Anklage stützt sich weitgehend auf die Aussage des mutmaßlichen Opfers, unmittelbare Zeugen fehlen. Ein Geständnis würde sich angesichts dieser Ausgangslage nachhaltig strafmindernd auswirken. Aber Richard S. hat nach eigener Auffassung nichts zu gestehen. Die umstrittene Nacht liegt im Nebel einer Fastnachts-Party, die im benachbarten Pfarrheim stattfand. Glaubt man Richard S., dann müsste sich der eher schmächtige Mann bis zur halben Bewusstlosigkeit zugeschüttet haben. Entsprechend brüchig ist sein Erinnerungsvermögen. Nur was er nicht getan hat (oder nicht getan haben will), weiß er noch recht genau. Konsens ist, dass es Streit auf dem Heimweg gab. "Rauferei" nennt es S., und die sei von beiden Seiten ausgegangen. Seine Freundin habe ihn beschimpft, seine Treue angezweifelt. Dabei habe man doch heiraten wollen, schon nach wenigen Monaten der Bekanntschaft. Dass er seine Lebensgefährtin, wie die Anklageschrift behauptet, in der Wohnung mit einem Messer bedroht, niedergeschlagen, gewürgt, schließlich vergewaltigt habe, bestreitet er energisch. Nach dem - keineswegs unüblichen - handfesten Krach habe man einvernehmlichen "Versöhnungssex" gehabt. Erst nachdem später die Mutter des Angeklagten nach Hause gekommen sei, habe die 20-Jährige die ganze Geschichte erfunden, "weil sie mich los werden wollte". Da blicken die Herren auf der Richterbank zweifelnd drein. Sie verweisen auf Bilder des mutmaßlichen Opfers, die eine verheulte junge Frau mit Verletzungsspuren am Hals zeigen. Die könnten auch daher stammen, dass sie die Gewohnheit habe, sich am Hals zu kratzen, insistiert der junge Pflichtverteidiger Frank Pascal, der mehr abliefert als Routine-Arbeit. Dass es sich um Würgemale handele, behaupte lediglich die Staatsanwaltschaft.Öffentlichkeit bei Aussage des Opfers ausgeschlossen

Man würde sich gern ein näheres Bild von der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin machen, aber ihre Anwältin beantragt bei ihrer Aussage den Ausschluss der Öffentlichkeit zwecks Schutz der Intimsphäre. So bleibt es in öffentlicher Verhandlung bei wenigen allgemeinen Fragen. Sie werfen ein Licht auf extreme Lebensverhältnisse in einem wenig angesehenen Trierer Stadtteil. Mit vier Erwachsenen bewohnte man die Drei-Zimmer-Wohnung der Mutter, das junge Paar wohnte und schlief im gemeinsamen Wohnzimmer. "Desto kleiner die Wohnung, desto geringer der Abstand", merkt der Vorsitzende Richter Armin Hardt an. Unwillkürlich kommt einem Heinrich Zille in den Sinn, mit seinem Spruch, dass man einen Menschen mit seiner Wohnung ebenso erschlagen könne wie mit einer Axt. Nur dass die Beteiligten hier die Wohnverhältnisse freiwillig akzeptierten und sogar eigene, vom Sozialamt finanzierte Wohnung, aufgegeben hatten. Wegen der unklaren Beweislage ist das Verfahren schon jetzt auf weitere drei Verhandlungstage terminiert. Ein Urteil ist erst für den 11. Oktober zu erwarten.

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