„Weder wir noch die Ärzte schummeln“: TV-Interview mit AOK-Chefin Irmgard Stippler

Die Chefin der Krankenkasse AOK Rheinland-Pfalz/Saarland, Irmgard Stippler, verteidigt den Finanzausgleich unter den Kassen. Sie hält ihn für gerecht und schließt aus, dass er zum Schummeln verleitet. Mit Stippler sprach unser Redakteur Bernd Wientjes.

 Irmard Stippler.

Irmard Stippler.

Foto: privat

Frau Stippler, andere Krankenkassen werfen der AOK vor, am kasseninternen Finanzausgleich, dem sogenannten Risikostrukturausgleich (RSA) festzuhalten, weil hauptsächlich die AOK profitiert. Das ganze System ist derzeit heftig in der Diskussion, weil es offenbar dazu verleitet zu schummeln. Wie stehen Sie zu dieser Diskussion?
Irmgard Stippler: Ich halte den Risikostrukturausgleich in der heutigen Ausprägung für fair. Es sind in erster Linie die Versicherten, die davon profitieren. Der RSA gewährleistet die solidarische Finanzierung der Krankenkassen und stellt sicher, dass Ältere und Kranke keine höheren Kassenbeiträge zahlen müssen als Junge und Gesunde. Er gleicht die Ausgaben aus, die mit älteren und kränkeren Versicherten verbunden sind. Damit ist sichergestellt, dass Kassen keinen Anreiz haben, Kranke und Ältere wegen höherer Ausgaben auszuschließen. Der RSA hat dafür gesorgt, dass es gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Kassen gibt.

Sie wehren sich also gegen den Vorwurf, die AOK lebe nur zulasten etwa von Ersatz- oder Innungskassen und kassiere überproportional viel Geld?
Stippler: Es geht doch nicht um Umverteilung von Finanzmitteln von einer Kasse zur anderen. Sondern darum, wie die mit Alter und Krankheit verbundenen Risiken so abgebildet werden, dass alle Versicherten grundsätzlich gleiche Beitragssätze zahlen, ohne dass Kassen nur gute Risiken, also die Gesunden, versichern.

Da muss es aber doch in Ihrem Interesse sein, möglichst viele Alte und Kranke zu versichern, um viel Geld aus dem RSA zu bekommen.
Stippler: Wenn auf der einen Seite alle die gleichen Beiträge zahlen, auf der anderen Seite aber für Ältere und Kranke höhere Ausgaben stehen, dann braucht es einen Ausgleichsmechanismus.

Also wird doch ein Anreiz geschaffen, dass Kassen den Ärzten sagen: Macht unsere Versicherten "kränker" als sie sind, dann bekommen wir mehr Geld für sie!
Stippler: Es geht nicht darum, künstlich Ausgaben zu schaffen und Patienten "kränker" zu machen. Ausschließlich der Arzt entscheidet darüber, wie der Patient versorgt werden muss. Das ist nicht Aufgabe der Krankenkasse. Unsere Aufgabe ist es, alles dafür zu tun, dass die Versicherten sich gesund halten, möglichst nicht krank werden oder schnell wieder gesund werden.

Also, die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland verleitet Ärzte nicht zum Schummeln, indem ihnen nahegelegt wird, Patienten "kränker" zu machen, als sie sind?
Stippler: Nein, weder wir noch die Ärzte. Sie allein entscheiden über die Diagnosen. Im Krankenhaus gibt es ganz klare Vorgaben, wie Leistungen dokumentiert und mit welchem festgelegten Code einzelne Diagnosen versehen werden müssen. Das gilt auch für den ambulanten Bereich, wo wir uns einheitliche Kodierrichtlinien wünschen würden. Chronische Erkrankungen müssen richtig dokumentiert werden, damit die Versorgung älterer und chronisch kranker Patienten gesichert ist. Natürlich sind wir im Dialog mit den Ärzten, um sie auf die Bedeutung der Dokumentation hinzuweisen.

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