Wenn daheim die Fäuste fliegen: Landesregierung will häuslicher Gewalt mit Gesetzesänderung vorbeugen

Trier/Bitburg/Mainz · Mehr als 1200 Fälle häuslicher Gewalt hat es 2016 in der Region gegeben. Die Dunkelziffer soll deutlich höher sein. Das Land will jetzt die Strafen gegen die Täter verschärfen.

Das vermeintlich beschauliche Familienleben in der Eifel ist nicht mehr als eine Fassade. Täglich herrscht Streit in der Ehe zwischen dem Mann und der Frau. Der Eifeler prügelt auf seine Partnerin ein, räumt das Konto leer und lässt sie mit den drei gemeinsamen Kindern alleine - verletzt, gedemütigt, pleite. Geschichten wie diese hört Nikolaus Wurm häufiger. Er arbeitet für die Hilfsorganisation Weißer Ring in Bitburg und berät Opfer häuslicher Gewalt.

1257 Fälle gab es im vergangenen Jahr alleine in der Region Trier, mehr als 10.000 in ganz Rheinland-Pfalz - und Experten gehen von einer bis zu zehnfach höheren Dunkelziffer der Gewalttaten aus. Mit einer Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) wollen die rheinland-pfälzischen Ampelparteien nun harten Schlägen im trauten Heim vorbeugen und Wohnungsverweise für bis zu zehn Tage erleichtern. Polizisten sollen Störenfriede künftig bei Konflikten eher der Wohnung verweisen dürfen.

Bislang war eine Gefahr für Leib, Leben und Freiheit eines Menschen dafür Voraussetzung, wie ein Sprecher des Innenministeriums sagt. Wer künftig gegen den Verweis verstößt, begeht zudem eine Ordnungswidrigkeit und muss mit einem Bußgeld von bis zu 5000 Euro rechnen. Auch das war vorher nicht der Fall.

Innenminister Roger Lewentz (SPD) geht davon aus, dass durch die neuen Schritte im Gesetz "Gewalttaten im familiären Umfeld leichter verhindert werden". Warum das so ist, erklärt Bruno Langenberger von der Deutschen Polizeigewerkschaft: "Wenn sich die Lage bei unserem Eintritt wieder beruhigt hat und der Einsatz von Gewalt nicht zu sehen war, konnten wir kaum einen Wohnungsverweis aussprechen." Häufig komme es aber vor, dass der Streit erneut ausbreche und Nachbarn Stunden später wieder die Polizei anriefen. "Und dann hat sich die Situation oft gewaltig zugespitzt."

Pia Schellhammer von den Grünen sagt: "Nach der alten Regelung musste der Mann quasi noch vor den Augen der Polizei seine Frau prügeln, um der Wohnung verwiesen zu werden. Künftig können Polizisten schneller reagieren, wenn sie Gefahr wittern und ein Konflikt schwelt."

CDU-Innenexperte Matthias Lammert hält die neuen Regeln für sinnvoll, hätte sich aber gewünscht, dass SPD, FDP und Grüne noch darüber hinausgegangen wären. Eine Möglichkeit wäre es gewesen, Polizisten die sogenannten Bodycams (Körperkameras) in Wohnungen einsetzen zu lassen, was ausschließlich auf den öffentlichen Raum begrenzt sein soll. "Das Filmen könnte eine deeskalierende Wirkung haben", meint Lammert.

Täterberaterin Julia Reinhardt zweifelt dagegen, ob eine drohende Geldbuße aggressive Partner abschreckt. "Im Gegenteil: Eine Strafe von ein paar Tausend Euro trifft die ganze Familie und verschärft Konflikte." Sie lobt dagegen steigende Ausgaben für die Beratung. So erhöht das Land für 2017 die Mittel für Frauenhäuser um 243.100 Euro auf gut 1,7 Millionen Euro. Neun Täterarbeitseinrichtungen - eine steht in Trier - bekommen künftig je 39.300 Euro statt 37.000 Euro. Eine weitere Einrichtung soll im Norden von Rheinland-Pfalz entstehen.

Kriminalitätsstatistik weist Gewaltfälle aus: Die rheinland-pfälzische Kriminalitätsstatistik spricht von Gewalt in engen sozialen Beziehungen. 10.164 Fälle gab es 2016, bei denen 28 Menschen starben. In mehr als 6100 Fällen kam es zu Körperverletzungen.

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