Wenn das Pfarrheim zur Belastungsprobe wird
Trier · Bei der katholischen Kirche wird mit spitzem Stift gerechnet. Mit einem Immobilienkonzept für jede Pfarreiengemeinschaft soll betriebswirtschaftliches Denken Einzug halten. Ein schwieriger und emotionaler Prozess für die Gemeinden. Denn viele Gebäude werden zum Verkauf stehen.
Trier. Die 1970er Jahre waren für Kommunen und Kirchengemeinden eine gute Zeit: Die Steuereinnahmen sprudelten. Die Gottesdienste waren gut besucht. Die Menschen freuten sich über ihre neuen Bürgerhäuser und Pfarrheime, die sie oft selbst mitaufgebaut hatten. 40 Jahre später hat sich vieles geändert. Bei den Gottesdiensten bleiben auch sonntags viele Kirchenbänke leer. Die Immobilienlust von einst ist zur Last geworden.
"Für nur ein Treffen der Kirchengemeinde im Jahr benötigen wir nicht überall einen großen Saal", sagt Otmar Brittner. Als Leiter der Abteilung Immobilien beim Bistum Trier weiß er, wie es um die Nutzung von Pfarrheimen und Gotteshäusern steht. Denn bei ihm laufen alle Zahlen und Zählungen für das Immobilienkonzept zusammen. Mit der umfangreichen Bestandsaufnahme will das Bistum bis 2016 den Bestand und die Unterhaltung aller 3750 Gebäude im Besitz der Kirche nach überwiegend kaufmännischen Gesichtspunkten neu regeln (siehe Extra). Gemeint sind Kirchen und Pfarrhäuser ebenso wie Pfarrheime und Mietshäuser.
"Mitte des Jahres wird es für die ersten Pfarreiengemeinschaften konkret", sagt Brittner. Dann liegen die ersten Konzepte vor, in denen das Bistum auch Schließungen und Verkäufe von Gebäuden vorschlagen wird. Da ist zum Beispiel von einer Kirche die Rede, die für mehr als zwei Millionen Euro saniert werden müsste, deren 500 Besucher fassende Halle aber regelmäßig von maximal 50 Gläubigen genutzt wird.Erst wenige Rückmeldungen
Erst 14 der 173 Pfarreiengemeinschaften haben die vom Bistum verschickten Immobilien-Checklisten eingereicht. "Die Meldungen werden der Reihe nach abgearbeitet", erläutert Brittner. Er versichert, dass die Neuordnung der Immobilien in Kooperation mit den Pfarreien erfolgen soll. "Wenn es einen Konflikt gibt, werden wir eben eine erneute Beratungsschleife ziehen. Aber die letzte Entscheidung trifft der Bischof."
Bereits im Januar 2012 hatte der damalige Generalvikar Georg Holkenbrink in einem Schreiben an die Räte der kirchlichen Institutionen im Bistum Trier die Neuordnung der Immobilien und eine deutliche Reduzierung der Baukostenzuschüsse angekündigt. In vielen Gemeinden hat auch das zu einem Umdenken geführt. Andere hatten schon vorher Konsequenzen gezogen. So wurde bereits Ende 2009 in Trier-Quint die Kirche Mariä Himmelfahrt profaniert (entweiht). In Trierweiler-Sirzenich erlebte Ende 2012 die Filialkirche St. Johannes ein ähnliches Schicksal. Beides geschah auf Wunsch der Kirchengemeinden.
Dass mit jedem Verkauf und jeder Aufgabe eines Kirchengebäudes heftige Emotionen verbunden sind, zeigt der Blick nach Kyllburg in der Eifel. Dort haben entsetzte Bürger und ein privater Spender 2010 eine Profanierung oder Umwandlung der Maximinkirche in eine Stätte für die Urnenbestattung verhindert, indem sie das Geld für die wichtigsten Sanierungsarbeiten an der eigentlich nicht mehr benötigten Kirche selbst aufbrachten.
In Trier-Ehrang wird in diesen Tagen entschieden, ob die seit zweieinhalb Jahren geschlossene Kirche Christi Himmelfahrt zu einer solchen Urnen-Begräbnisstätte werden kann. Abteilungsleiter Otmar Brittner: "Wir berechnen derzeit, ob sich die Pfarreiengemeinschaft St. Peter das langfristig leisten kann."
Anders ist die Situation in der Pfarrei Trittenheim. Die gehört zur Pfarreiengemeinschaft Neumagen-Dhron und gilt beim Bistum als positives Beispiel, wie Eigentumsverhältnisse gut geordnet werden können. In Trittenheim gab es einen Sanierungsstau beim kirchlichen Kindergarten, der die Infrastruktur (Heizung etc.) gemeinsam mit dem benachbarten Pfarr- und Jugendheim nutzte. Das Heim wurde laut Pfarrer Matthias Biegel zuletzt zu 90 Prozent von der Zivilgemeinde genutzt, bei einer Kostenaufteilung von jeweils 50 Prozent. Seit zwei Jahrzehnten überfordere die Unterhaltung des Pfarr- und Jugendheims die Pfarrei finanziell. Biegel: "Wir haben deshalb nun beide Liegenschaften zum Grundstücksschätzpreis an die Zivilgemeinde verkauft." Der Deal: Die Gemeinde bekam die Gebäude faktisch geschenkt, das Bistum beteiligte sich an der Sanierung des Kindergartens. Biegel: "Jetzt ist die Pfarreiengemeinschaft die finanziellen Lasten los und kann das Gebäude kostenlos mit nutzen." Sie macht somit praktisch vor, was Bistumssprecher René Uzulis als Kern des Immobilienkonzeptes formuliert: "Menschen und Gruppen können sich überall treffen, dafür sind nicht unbedingt eigene Räume erforderlich."
Pfarrer Matthias Biegel und Otmar Brittner werden sich im April kennenlernen. Dann steht für die Pfarreiengemeinschaft Neumagen-Dhron die Startveranstaltung zum Immobilienkonzept an. Pfarrer Biegel blickt dem gelassen entgegen: "Wir sind vorbereitet."Extra
Die Pfarreiengemeinschaften legen im Rahmen des Immobilienkonzeptes dem Bistum ihren Besitz, Einnahmen und Rücklagen offen. Gemeinsam wird definiert, welche Gebäude für die seelsorgerische Arbeit unverzichtbar sind. Diese werden weiterhin nach einem festgelegten Fördersatz bezuschusst. Für alle anderen Gebäude erhalten die Pfarreien seit 2012 einen Pauschalbetrag. Dieser plus die Einnahmen müssen ausreichen, um die Immobilien zu unterhalten. Droht für einzelne Gebäude ein dauerhafter Zuschussbedarf, wird der Verkauf nahegelegt. Die derzeitige Regelbezuschussung förderfähiger Gebäude - also jener Gebäude, die für die pastorale Arbeit gebraucht werden - beträgt bei Kirchen und Pfarrheimen 60 Prozent der förderfähigen Baukosten und 70 Prozent bei Dienstwohnungen. Bei finanzschwachen Kirchengemeinden ist zusätzlich ein Sonderzuschuss von 20 Prozent möglich. Pro 1000 Katholiken werden 50 Quadratmeter Hauptnutzungsfläche gefördert. Der Bereich Kindergarten ist vom Immobilienkonzept ausgenommen und wird in einem eigenen Prozess geklärt. r.n.