Wenn der Rosenkrieg zur Schlammschlacht wird

WITTLICH. Die Zahl der Scheidungen nimmt zu. Über 11 000 Ehen wurden 2002 in Rheinland-Pfalz geschieden. Leidtragende sind häufig die Kinder, auf deren Rücken der Rosenkrieg ausgetragen wird. Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (Isuv) fordert mehr Gerechtigkeit und eine Umkehr in der Familienpolitik.

Klaus K. war ein vorbildlicher Vater. Nach der Geburt seiner Tochter nahm er drei Jahre Erziehungsurlaub und kümmerte sich um das Kind. Seine Frau ging arbeiten, verdiente das Geld. Alles lief blendend. Nach fast 15 Jahren Ehe dann der Knall: Seine Frau verließ ihn. Sie hatte jemanden kennen gelernt, mit dem sie zusammenzog. Es kam zur Scheidung. Die Frau bekam das Sorgerecht für die Tochter. "Plötzlich bin ich kein Papa mehr, darf nur noch zahlen", beschwert sich der 45-Jährige. Papa als Zahl-Onkel: Wie Klaus K. geht es vielen Vätern. Pro Jahr werden in Deutschland knapp 200 000 Ehen geschieden. Allein 2002 waren 160 000 Kinder von Scheidung betroffen. Bei den Scheidungsschlachten in den Gerichtssälen geht es häufig um Sorgerecht und Unterhalt. Oft wird einem Elternteil die alleinige Sorge übertragen, weil sich die zerstrittenen Partner nichts mehr zu sagen haben und nicht mehr miteinander können. Leidtragende sind die Kinder. Der Interessenverband Unterhalt- und Familienrecht (Isuv) schlägt Alarm.Scheidung auch ohne aufgebauschten Streit

Streitigkeiten der Eltern sollten möglichst ohne Gerichte gelöst werden, denn häufig, so Irmgard Endries, Isuv-Landesbeauftragte, würden vor dem Scheidungsrichter von beiden Parteien Konflikte aufgebauscht mit dem Ziel, das alleinige Sorgenrecht zu erhalten. Die zerstrittenen Partner wollten, dass die Richter das entscheiden, was sie nicht mehr entscheiden könnten oder wollten. "Zwischen den beiden herrscht meist totale Sprachlosigkeit", weiß die Wittlicherin auch aus eigener, schmerzhafter Erfahrung. Dadurch käme es auch zu Ungerechtigkeiten vor Gericht. Viele Ehekonflikte ließen sich auch außergerichtlich lösen, sagt Endries. Isuv hat dazu das so genannte Cochemer Modell entwickelt. Seit sechs Jahren liegt im Landkreis Cochem-Zell die Quote von gemeinsamen Sorgeberechtigten bei knapp 100 Prozent, es kommt weniger häufig zu hässlichen Schlammschlachten vor Gericht. Rechtsanwälte, Jugendämter , Beratungsstelle und Familiengerichte arbeiten im Arbeitskreis "Trennung und Scheidung" zusammen, loten bereits im Vorfeld aus, was in einzelnen Fällen machbar ist. Mit Erfolg: Kinder bleiben beiden Eltern erhalten, die Zahl der Gutachten ist deutlich zurückgegangen, Anwälte setzen vor Gericht nicht mehr auf Konfliktstrategie sondern auf Ausgleich. Die gütliche Einigung zwischen den Eltern verhindert nicht nur, dass die Kinder womöglich jahrelang unter dem Rosenkrieg leiden. Oft werden dadurch auch nervenaufreibende Schlachten und Auseinandersetzungen um den Unterhalt vermieden. Nach dem Sorgerecht sorgt vor allem Kindesunterhalt für ständigen Zoff, der nicht selten erneut die Gerichte beschäftigt. Doch Endries gibt nicht den Gerichten oder den getrennten Partnern die alleinige Schuld an den Streitigkeiten, sondern der Politik. "Die geht immer noch vom traditionellem Familienbild aus: Vater, Mutter, zwei Kinder. Geschiedene, selbst wenn sie wieder verheiratet sind, werden weiter wie Singles behandelt. Mit dieser Ungerechtigkeit muss endlich Schluss sein." Dass Geschiedene mit Kindern in die Armutsfalle tappten, liege nicht in erster Linie an der schlechten Zahlungsmoral der Väter, sondern an der seit Jahren verfehlten, ungerechten und unsozialen Familien- und Steuerpolitik, sagt auch Isuv-Bundesvorsitzender Michael Salchow. Ledige Unterhaltszahler würden wie Singles besteuert, noch immer nicht würde der Unterhalt steuerlich berücksichtigt. Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr zumindest teilweise Klarheit geschaffen, dass wiederverheiratete Geschiedene weniger Unterhalt an den Ex-Partner zahlen müssen und damit Zweitfamilien nicht mehr länger benachteiligt werden. Doch hat noch im Januar der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine wiederverheiratete Hausfrau notfalls auch arbeiten müsse, um für den Nachwuchs aus ihrer ersten Ehe Unterhalt zahlen zu können. Eine Himmel schreiende Ungerechtigkeit in den Augen der Isuv-Aktivisten. "Papa Staat will nicht mehr Papa sein. Alles soll es zum Nulltarif geben: Erziehung, Rentenzahler", kritisiert Salchow. Leidtragende seien die Unterhaltspflichtigen. Vielen von ihnen bliebe am Monatsende kaum was, selbst wenn sie wieder eine eigene Familie hätten. "Solange Scheidung immer noch heißt, dass man in ein finanzielles Loch fällt, stimmt was nicht in unserem Staat", beschwert sich Endries. Der Staat helfe nur intakten Familien, Geschiedene aber blieben auf der Strecke. Infos: Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (Isuv), Bezirksstelle Trier/Wittlich, Irmgard Endries, 06571/3748 .

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