Wenn Drogen mit Drohnen in den Knast schweben

Trier · Ein Großteil der rheinland-pfälzischen Häftlinge ist drogen- oder alkoholabhängig. Wer will und zahlen kann, muss auch hinter Gittern nicht auf seinen Stoff verzichten. Die Justiz unternimmt allerhand, um den Drogenhandel im Knast zu unterbinden. Es erinnert an einen Kampf gegen Windmühlen.

Trier. Mitte Dezember vergangenen Jahres stürzte eine fehlgeleitete Drohne auf das Dach des Hamburger Untersuchungsgefängnisses. Pech für den Häftling, für den die "Ladung" - Marihuana, ein Smartphone und ein Speicherstick mit Filmen - bestimmt war. Wenige Tage zuvor war bei einem ähnlichen Knast-Manöver in Bremen ebenfalls eine mit Rauschgift gespickte Drohne abgestürzt.
Zwei Beispiele, die zeigen, dass so gut wie nichts unversucht gelassen wird, um Drogen in den Knast zu schmuggeln. Ein lukratives Geschäft: Je nachdem, welche Droge der Gefangene haben will, muss er hinter schwedischen Gardinen schon mal das Fünf- bis Zehnfache des außerhalb geltenden Schwarzmarktpreises hinlegen.
Insider sagen, dass prinzipiell auch im Knast alles an Drogen zu bekommen ist, was es "draußen" gibt. Die Gewerkschaft Justizvollzug warnt, dass der organisierte Rauschgifthandel in den rheinland-pfälzischen Gefängnissen zunimmt. Die im vergangenen Jahr rapide angestiegene Zahl der Drogenfunde in den Haftanstalten könnte dafür ein Indiz sein.
93 Rauschgiftfunde gegenüber 65 und 61 in den Vorjahren, sagte ein Sprecher des Mainzer Justizministeriums auf Anfrage unserer Zeitung.
Zahl der Funde steigt rapide


Wie und wo das Rauschgift gefunden wurde und um welche Drogen es sich handelte, wollte das Ministerium "aus sicherheitsrelevanten Gründen" nicht sagen. Fakt ist aber: Wenn es darum geht, Drogen in den Knast zu schleusen, sind die Insassen und ihre Helfer draußen erfinderisch. Hauptschmuggelwege sind Besucher, Lieferanten, Freigänger oder auch schon mal Bedienstete, wie das Beispiel eines 2013 aufgefallenen Wittlicher Justizvollzugsobersekretärs zeigt. In einigen Gefängnissen werden Rauschgiftpäckchen über die Gefängnismauern geworfen; gefunden wurden auch schon Drogen, die unter Briefmarkten klebten. Bei Häftlingen im offenen Vollzug sind sogenannte Bodypacks beliebt, in kleine Plastiktütchen verpackte Drogen, die geschluckt oder in Körperöffnungen versteckt werden.
Das Mainzer Justizministerium verweist darauf, dass Außenkontakte von Häftlingen besonders überwacht würden, daneben gebe es auch regelmäßige Urinkontrollen auf Drogen und Alkohol. Außerdem würden alle Zellen regelmäßig und ohne Vorankündigung kontrolliert.
Wird dies akribisch gemacht, geht allerdings viel Zeit drauf. "Für eine Zelle brauchen zwei Beamte gut drei Stunden", sagt ein Insider. Mit ein Grund, warum die Gewerkschaft Justizvollzug Drogenspürhunde fordert - am liebsten für jedes rheinland-pfälzische Gefängnis eigene auf Drogenfunde abgerichtete Tiere. Die Hunde könnten Zellen nach Rauschgift absuchen oder Besucher kontrollieren, ohne dass diese sich durchsuchen lassen müssten.
Die Wittlicher CDU-Landtagsabgeordnete Elfriede Meurer verweist auf die positiven Erfahrungen, die in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder Bayern mit "Gefängnishunden" gemacht worden seien: "Die Drogenfunde stiegen an, und der Konsum ging deutlich zurück."
Hohe Kosten für Hunde


Im Mainzer Justizministerium verweist man dagegen auf die hohen jährlichen Kosten für Hund und Hundeführer, die allenfalls durch "weitere Personaleinsparungen finanziert (…) werden könnten". "Ein Totschlagargument", kontert Gewerkschaftsvorsitzender Winfried Conrad. Er kennt nach eigenen Angaben etliche Ausgabe posten in der Justiz, wo reichlich Geld eingespart werden könne.
Zudem müsse kein zusätzliches Personal für die Drogenspürhunde eingestellt werden, weil es auch heute schon Justizvollzugsbeamte gebe, die für die Sicherheit im Gefängnis verantwortlich seien.
Das vom Ministerium bei diesem Thema stets angeführte Argument der Polizeidrogenhunde, die regelmäßig im Justizvollzug eingesetzt würden, hält Gewerkschaftsfunktionär Conrad nicht für zündend: "Wenn die mit ihren Hunden auf den Hof fahren, bekommen das die Häftlinge mit, und plötzlich rauschen in überproportional vielen Zellen die Toilettenspülungen."
Könnte im Extremfall bedeuten: Was mit der Drogendrohne durch die Luft ins Gefängnis transportiert wurde, gelangt durch den Abwasserkanal wieder nach draußen.Extra

In den zehn rheinland-pfälzischen Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten, darunter Trier und Wittlich, gibt es nach Angaben des Statistischen Bundesamts 3403 Haftplätze, davon 209 für weibliche Gefangene. Hinzu kommen 68 Plätze im Wittlicher Justizvollzugskrankenhaus. Nach der jüngsten veröffentlichten Statistik waren Ende März 3225 Haftplätze im Land belegt. Ein Großteil der Gefangenen saß eine vom Gericht verhängte Gefängnisstrafe ab, 461 Inhaftierte waren zu diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft, warteten also noch auf ihren bevorstehenden Prozess. Etwa jeder zehnte Häftling war im offenen Vollzug, durfte also das Gefängnis zumindest zeitweise verlassen. sey

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