Wenn ein böser Zweifel entsteht

TRIER. Wenn im Kindergarten bei den pädagogischen Fachkräften der Verdacht auf sexuellen Missbrauch eines Kindes entsteht, schrillen alle inneren Alarmsirenen. Wie sie selbst diese Situation erlebt hat, und wie der Kinderschutzdienst (KSD) weiterhalf, berichtet eine Kindergartenleiterin.

Alexandra Hauer leitet neben zwei anderen Kindergärten den Förderkindergarten der Lebenshilfe, Kreisvereinigung Trier-Saarburg, in Schweich-Issel. Eine Einrichtung mit zehn Kindern im Alter von drei bis sieben Jahren, die beispielsweise entwicklungsverzögert oder hyperaktiv sind. Es waren bestimmte Gründe, die die Leiterin vor einigen Jahren dazu brachten, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen und den KSD anzurufen. "Das Kind machte bestimmte Äußerungen, hatte gesagt, dass es angefasst wurde, war schüchtern und wesensverändert", beschreibt sie einige der Beobachtungen, die das Team gemacht hatte. "Normales" Verhalten oder grenzwertig? Wie waren die Äußerungen des Kindes zu deuten? Wollte das Kind etwas mitteilen oder interpretierte das Team etwas hinein? Als sie das erste Mal die Telefonnummer 9911800 des KSD in Trier anwählte, nannte Hauer weder ihren eigenen Namen noch den der Einrichtung. Zu groß waren ihre Bedenken, mit dem Verdacht danebenzuliegen und Hirngespinste zu sehen - unbegründete Ängste, wie sie feststellte. "Unsere Hilfe ist kostenlos und anonym. Und wir sind nicht verpflichtet, Anzeige zu erstatten", erklärt Diplom-Pädagogin Beate Walgenbach-Anheier. Nach dem langen ersten Telefonat atmete Hauer "erstmal tief durch", war froh, ernst genommen zu werden. Im Kiga-Team klärte Walgenbach-Anheier, dass es nicht Aufgabe des Kindergartens ist, in Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch Kontakt mit den Eltern aufzunehmen. Der immense Druck, die Situation des Kindes sofort verbessern zu wollen, wurde den Erzieherinnen genommen. Es galt, Besonnenheit und Ruhe in die Situation zu bringen, um nicht unüberlegt dem Kind noch weiteren Schaden zuzufügen. Etwa, wenn die Eltern das Kind aus der Einrichtung nehmen und ihm damit einen Schonraum entziehen. Sehr junge Missbrauchsopfer sind oft nicht prozessfähig, ihre Aussagen zu unklar. Ruhe, viel Zeit und vor allem die Botschaft an das Kind "Ich weiß, dass es so was gibt, ich bin für dich da" vermittelte Walgenbach-Anheier. Sie besuchte in Absprache mit dem Jugendamt regelmäßig das Kind im Kindergarten, um eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und die soziale Kompetenz des Kindes zu stärken. Noch heute hat sie nach Jahren Kontakt zu dem Kind. Sie betreut es in einer anderen Einrichtung, dokumentiert die Gespräche, versucht, ein Elternteil mit ins Boot zu bekommen - immer den Willen des Kindes im Blick. Denn oftmals entschließen sich Missbrauchsopfer erst nach vielen Jahren zur Anzeige. Alleine die Vorstellung, dass das Kind abends in unerträgliche Verhältnisse zurückkomme, sei für die Erzieherinnen enorm schwer, sagt Hauer. Mit dem KSD gebe es eine Anlaufstelle, die Hilfe biete und die Last abnehme. "Die Erzieherinnen sollten sich nicht überfordern, wenn sie an ihre Grenzen stoßen", fügt Walgenbach-Anheier hinzu. Wie es weitergeht, wenn sich das Kind öffnet und den Missbrauch beenden will, und wie der KSD dabei hilft, erfahren Sie in einem weiteren Artikel. d 166 Missbrauchsfälle in Trier und dem Kreis Trier-Saarburg wurden im Jahr 2005 von den vier "halben" Fachkräften des KSD betreut. Fast immer stammt der Täter aus dem nahen sozialen Umfeld. Die Personaldecke des KSD reicht bei Weitem nicht, um die Missbrauchsopfer zu begleiten und wünschenswerterweise verstärkt präventiv zu arbeiten. Dem KSD fehlen behütete Räume, um therapeutisch mit den Kindern arbeiten zu können, Fortbildungen für Erzieherinnen zu machen, Eltern in Selbsthilfegruppen zu betreuen. Die "Burg" soll hier Abhilfe schaffen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort