"Wenn’s gewittert, liegen unsere Nerven blank"

Lasel/Mainz · Wer zahlt, wenn Keller überflutet sind? Haben Hausbesitzer eine Elementarschadenversicherung, können sie hohe Kosten vermeiden. Doch viele Menschen verzichten darauf. Die Verbraucherzentrale pocht auf eine Gesetzesreform.

Lasel/Mainz. Lasel ist normalerweise ein beschauliches Dorf im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Doch in diesem Juni herrscht der Ausnahmezustand. Wo sonst 350 Einwohner leben, stehen plötzlich noch 170 Hilfskräfte aus der ganzen Region und packen mit an. Es schüttet aus Kübeln, ein kleiner Bach läuft über das Ufer und richtet großen Schaden an. Wasser fließt durch den Ort, überflutet Keller. Bis tief in die Nacht helfen Dorfbewohner, Laminat aus den von Sturzfluten betroffenen Häusern zu reißen, um Böden schnell trockenzulegen, erzählt Ortsbürgermeister Helmut Thielen. Er sagt: "Wenn's gewittert, liegen unsere Nerven immer noch blank."
Besonders erlebt das Klaus Hinterlang. Er hat ein altes Bauernhaus renoviert, um es als Ferienwohnung zu vermieten. Als sein Telefon am Abend des Unwetters klingelt und er hört, alles stehe unter Wasser, düst er sofort hin. "Doch ich konnte gar nicht mehr ins Haus. Das Wasser stand 1,50 Meter hoch bis zur Klingel, im Keller war ein Tank mit 300, 400 Litern Heizöl umgekippt, Möbel und Zimmer waren demoliert", sagt er. Gut 30 000 Euro kostet ihn der Schaden. Sein Pech: Er war nicht elementarschadenversichert (siehe Extra). Wer diese Versicherung nicht abschließt, muss die fälligen Kosten nach Unwettern meistens alleine tragen. Nun flammt die Debatte erneut auf, ob die Zusatzpolice zur Pflicht für Hausbesitzer werden soll. Die Umweltminister wollen das, auch Ulrike Höfken (Grüne) aus Rheinland-Pfalz. Entscheiden muss es der Bund, im September sitzen die Justizminister zusammen.
Thomas Kaden zweifelt, ob der Staat den Hausbesitzern die Versicherung einfach aufzwingen kann. Diese diene eher nicht dem Allgemeinwohl, wie die Auto- oder Krankenversicherung. Der Anwalt aus Trier sagt: "Wer auf dem Berg lebt, hat mit einem geringeren Schaden durch Hochwasser zu rechnen als jemand, der am Fluss wohnt." Die Gesellschaft der Versicherungswirtschaft fürchtet, Kommunen und Hausbewohner würden sich gar nicht mehr gegen Extremsituationen wie Hochwasser schützen - im sicheren Gefühl: Die Versicherungen zahlen den Schaden ja eh.
Michael Wortberg von der rheinland-pfälzischen Verbraucherzentrale hält das für Unsinn. "Man schließt auch nicht eine Autoversicherung ab und fährt dann unbedacht über die Straßen", sagt er. Wortberg gehört zu den großen Befürwortern, Elementarschäden pflichtzuversichern. Menschen in Gebieten mit Unwettern zahlten jetzt schon deutlich mehr - wenn sie Pech hätten, Tausende Euro. Gebe es Überschwemmung, stiegen die Preise erneut - das zumindest zeigten Anrufe, die bei der Verbraucherzentrale eingehen.
In der Mainzer Ampelkoalition sind die Parteien zur Pflichtversicherung gespalten. SPD und Grüne sehen darin eine Chance, Hausbesitzer vor dem Ruin zu bewahren. Die FDP setzt dagegen auf die Eigenintiative der Menschen. So wie bei Klaus Hinterlang. Er hat nach dem Regen eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen - und das alte Haus in Rekordzeit wieder auf Vordermann gebracht. Sogar holländische Feriengäste wohnten schon drin, auch wenn noch Zimmertüren fehlten. "Doch die sind nett und haben gesagt, dass sie damit keine Probleme haben."Extra

Derzeit ist die Elementarschadenversicherung keine Pflicht für Hausbesitzer. Abschließen können sie diese trotzdem. Was sie abdeckt: Folgen von Stürmen, Hagel und Blitzeinschlägen sind durch die Gebäude- und Hausratversicherung abgedeckt. Andere Schäden wie Überschwemmungen, Erdbeben oder Schneedruck sichert dagegen die Elementarschadenversicherung ab. Diese kann in der Regel als Zusatzbaustein in Kombination mit einer Wohngebäude- oder Hausratversicherung abgeschlossen werden. Was zu beachten ist: Michael Wortberg empfiehlt jedem Hausbesitzer, eine Elementarschadenversicherung abzuschließen. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die starken Regenfälle zunehmen und jeden betreffen können." Versicherungen unterteilen das Bundesgebiet dabei in Gefahrenzonen. Die Preise zwischen Anbietern können sich nach der Zeitschrift Finanztest um mehrere Hundert Euro im Jahr unterscheiden. Die Verbraucherzentrale rät, bei mehreren Gesellschaften Angebote einzuholen. Versicherte sollten beschädigte Gegenstände im besten Fall als Schadensnachweis aufbewahren oder fotografieren und filmen. Wer versichert ist: 38 Prozent der deutschen Hausbesitzer haben eine Elementarschadenversicherung, aber nur 24 Prozent der Rheinland-Pfälzer. Kurios: Baden-Württemberg ist Spitzenreiter mit 95 Prozent, weil es bis in die neunziger Jahre hinein eine Versicherungspflicht gab. Wo ich Tipps bekomme: Die Verbraucherzentrale bietet eine kostenlose telefonische Beratung an. Sie ist montags von 9 bis 12 und mittwochs von 13 bis 16 Uhr unter Telefon 06131/2848868 erreichbar. flor/dpa

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