Wenn Unterricht ausfällt - geplant und nicht geplant

Trier · Zwischen der jährlich von Landesbildungsministerin Doris Ahnen (SPD) vorgestellten Statistik zum Unterrichtsausfall und den tatsächlichen Fehlstunden in den rheinland-pfälzischen Schulen klafft immer ein Unterschied. Grund: Die Zahlen geben nur den geplanten Ausfall wieder.

 Immer wieder kommt es in Schulen zu kurzfristigem Unterrichtsausfall. Foto: TV-Archiv/Katja Krämer

Immer wieder kommt es in Schulen zu kurzfristigem Unterrichtsausfall. Foto: TV-Archiv/Katja Krämer

Trier. Am Dauner Thomas-Morus-Gymnasium sind im vergangenen Schuljahr 2584 Stunden wegen Krankheit von Lehrern ausgefallen. Hinzu kamen noch 904 "nicht planmäßig erteilte Unterrichtsstunden", wie der kurzfristige Stundenausfall offiziell heißt, weil Lehrer unter anderem auf Fortbildung oder auf Klassenfahrten waren.
2035 der insgesamt also 3488 ausgefallenen Stunden in Daun konnten "reguliert" werden, wie es in der offiziellen Statistik des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums heißt. Sieben Prozent des Gesamtunterrichts sind damit an dem Gymnasium ausgefallen. An der Stefan-Andres-Realschule in Schweich (Trier-Saarburg) waren es rund fünf Prozent, am Eifel-Gymnasium Neuerburg (Eifelkreis Bitburg-Prüm) 6,7 Prozent.
Nicht immer wird der Stundenausfall aber durch Vertretungslehrer ausgeglichen. Vor allem an Grundschulen werden Klassen zusammengelegt oder von anderen Lehrern mitbeaufsichtigt, ohne dass Unterricht erfolgt. Oder aber es wird - vor allem an weiterführenden Schulen - sogenanntes "selbstbestimmtes Lernen" anberaumt, was in den meisten Fällen nichts anderes heißt, als dass die Schüler sich selbst beschäftigen sollen, ohne dass ein Lehrer in der Klasse ist. Trotzdem gilt die Stunde nach der Definition des Bildungsministeriums dann als nicht ausgefallen.
Zu diesem kurzfristigen Ausfall kommt noch der sogenannte strukturelle Ausfall, der bereits zu Beginn des Jahres eingeplant ist, etwa weil Lehrer dauerhaft fehlen. So muss etwa beim Dauner Thomas-Morus-Gymnasium noch ein eingeplanter Stundenausfall von 3,1 Prozent hinzugerechnet werden. Lehrergewerkschaften rechnen vor, dass im Schnitt dreieinhalb Wochen Unterricht pro Schule und Schuljahr ausfallen. "Tatsächlich sagt die Schulstatistik nur wenig über den echten Unterrichtsausfall im Schulalltag aus", sagt Hjalmar Brandt, Landesgeschäftsführer des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE).
Das sieht auch der pensionierte Schulleiter Ludwig Weyand so. Der 63-Jährige leitete zehn Jahre lang das Trierer Max-Planck-Gymnasium. Sechs Prozent betrage der durchschnittliche Ausfall an einem Gymnasium, sagt Weyand. Allein um den kurzfristigen Ausfall durch Krankheit auszugleichen, seien eigentlich 40 Stunden mehr pro Woche notwendig. Doch dafür fehlten die Lehrer.
Die von der Bildungsministerin alljährlich vorgestellte Statistik weicht also von der Realität in den Schulen ab. Das liegt laut Weyand daran, dass es erlaubt ist, die der Schule zustehende (Soll)-Stundenzahl rechnerisch zu erhöhen. Das Soll richtet sich nach der pädagogischen Ausrichtung der Schule und der Zahl der Schüler. Hat also eine Schule ein Stundensoll von beispielsweise 1000 Stunden, werden dazu noch die nicht zum eigentlichen Unterricht gehörenden Arbeitsgruppen und die aufgrund von Lehrermangel von vielen Lehrern geleisteten Mehrarbeitsstunden hinzugerechnet. Normalerweise hat ein Gymnasiallehrer 24 Schulstunden pro Woche. Übernimmt er zum Beispiel zwei Leistungskurse in der Oberstufe, kommt er auf 26 Stunden. Diese sogenannten Vorhaltestunden und die Arbeitsgruppen würden in den Ist-Stunden zusammengefasst, die in unserem Beispiel 1100 Stunden umfassen. Auf der Grundlage dieser erhöhten Stundenzahl wird dann der prozentuale Unterrichtsausfall berechnet: je höher die Stundenzahl, desto geringer der Anteil des ausgefallenen Unterrichts.
"Die tatsächlichen Zahlen sprechen für sich", sagt Landeselternsprecher Rudolf Merod aus Trier. Viele Schulen stünden mit dem Rücken zur Wand, sie hätten keinen Spielraum, um kurzfristigen Unterrichtsausfall auszugleichen, weil Lehrer fehlten. Vor allem in Mathematik und Naturwissenschaften. Statt zu unterrichten, arbeiteten etwa Physik-Studenten lieber in der besser bezahlten Wirtschaft. Um Anreize zu schaffen, fordert Merod, dass Lehrer in solchen Mangelfächern besser bezahlt würden als ihre Kollegen in anderen Fächern. "Es kann nicht sein, dass es auch bei der Bildung unserer Kinder immer nur heißt: sparen, sparen, sparen", so Merod.Extra

Unterrichtsausfälle an Schulen in der Region Trier:Extra

Um dem temporären, also kurzfristigen, Unterrichtsausfall entgegenzuwirken, hat das rheinland-pfälzische Bildungsministerium vor zehn Jahren das Projekt Erweiterte Selbstständigkeit (PES) eingeführt. Den 750 am Projekt teilnehmenden Schulen (98 in der Region) steht - abhängig von der Zahl der Vollzeit-Lehrer - ein jährlicher Betrag zur Verfügung, für den sie sich externe Fachkräfte "einkaufen" können, um ausgefallene Lehrer zu ersetzen. Diese Fachkräfte müssen keine ausgebildeten Lehrer sein. Doch offenbar hat PES nicht zu einer deutlichen Verbesserung beigetragen. Aus dem Bericht der Landesregierung zum temporären Unterrichtsausfall im Schuljahr 2010/2011 geht hervor, dass an den PES-Schulen 2,56 Prozent des planmäßigen Unterrichts ausgefallen ist, an den Nicht-PES-Schulen, also ohne externe Vertretungen, 2,69 Prozent. Von 2007 bis 2010 ist an diesen Schulen der Unterrichtsausfall sogar geringer geworden. wie

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