"Wer schlägt, muss gehen"

Trier · Bedrohungen, Schläge, seelische und sexuelle Misshandlungen innerhalb einer Ehe oder Lebensgemeinschaft – erst seit 2004 hat die Polizei eine stabile gesetzliche Grundlage, um nachhaltig einzugreifen. Die Polizeiinspektion Trier hatte 2010 bereits 305 Einsätze in diesem Umfeld. Die Zahl der Fälle steigt seit Jahren.

„Gewalt in Ehen oder Partnerschaften spielt sich hinter verschlossenen Türen ab“, sagt Martin Spaniol. Der Hauptkommissar ist der Beauftragte für Gewalt in engen sozialen Beziehungen der Polizeiinspektion Trier. Seine klare Aussage: „In Trier ist die Anzahl solcher Fälle innerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Polizeipräsidiums Trier eindeutig am höchsten.“ Die Zuständigkeit dieses Präsidiums umfasst die Stadt Trier, die Landkreise Trier-Saarburg, Bitburg-Prüm und Bernkastel-Wittlich, den Vulkaneifelkreis und Teile des Landkreises Birkenfeld.

Die Situation: Die Polizei Trier musste im laufenden Jahr 305-mal wegen solcher Fälle ausrücken. Gewaltdelikte in Familien und Partnerschaften werden seit 2005 statistisch erfasst, die Zahl bewegt sich zwischen 262 in 2007 und 352 in 2009. „Unsere Beamten erleben erschütternde Szenen“, sagt Spaniol. „Partner streiten, gehen mit Fäusten oder Messern aufeinander los.“ In den meisten Fällen sind Frauen die Opfer, in jedem vierten von Gewalt geprägten Haushalt leben Kinder. „Auch sie leiden unter Gewalt und üben sie nicht selten später als Jugendliche und Erwachsene selbst aus.“

Das Gesetz: Es waren mehrere Gesetzesänderungen nötig, bis die Polizei wirkungsvoll eingreifen konnte. Erst durch das Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes 2002 hat sich die Rechtsposition der Opfer klar verbessert. Gewalt innerhalb einer Ehe (oder eingetragenen ehe-ähnlichen Lebensgemeinschaft) wird tatsächlich erst konsequent als Strafe verfolgt, seit dieses Gesetz in Kraft ist. „Vorher musste das Opfer Schutz suchen und fliehen, oft in ein Frauenhaus“, so Spaniol. „Jetzt wird der Täter des Feldes verwiesen.“
Ein weiterer Meilenstein war ein neues Polizeigesetz aus 2004. „Dieses Gesetz gab uns die Mittel in die Hand, konsequent vorzugehen.“

Die Reaktion: „Wir greifen nach einem simplen Grundsatz ein“, berichtet der Polizist. „Wer schlägt, muss gehen.“ Unabhängig davon, wem die Wohnung gehört oder wer die Miete zahlt, kann die Polizei den Aggressor für bis zu zehn Tagen – per Gerichtsbeschluss sogar bis zu sechs Monaten – der Wohnung verweisen und ihm verbieten, sich dem Opfer zu nähern. „Auch außerhalb der Wohnung muss der Täter Abstand halten. Das Auflauern am Arbeitsplatz oder Telefonterror sind verboten.“ Verstößt der Täter dagegen, landet er hinter Gittern. „Die Opfer brauchen Zeit“, betont der Hauptkommissar. „Sie sind auch seelisch verletzt, weil sie oft ein jahrelanges Martyrium durchgemacht haben.“

Die Opfer: Wird eine Streife von besorgten Nachbarn oder Zeugen zu einer Wohnung gerufen, in der es hörbar kracht, hat sie direkt vor Ort einen großen Handlungsspielraum. „Dazu gehört auch die sofortige Vermittlung von Hilfe und Beratung für die Opfer“, betont Spaniol. „Sollten sie es wünschen, können wir sie auch sofort in ein Frauenhaus bringen oder entsprechende Hilfe organisieren statt den Täter aus der Wohnung zu weisen.“
Die Polizei arbeitet eng mit Interventions- und Beratungsstellen wie Pro Familia zusammen. Diese helfen den Opfern bei Antragstellungen vor Gericht und organisieren langfristige Beratungen.
Martin Spaniol fasst zusammen: „Gewalt in engen sozialen Beziehungen ist keine simple Familienstreitigkeit. Hier handelt es sich um Unrecht, das nicht geduldet wird.“

EXTRA
Gewalt gegen Frauen: Im Rahmen einer von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen repräsentativen Studie zur „Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“ wurden 10000 Frauen befragt.
37 Prozent gaben an, mindestens einmal seit dem 16. Lebensjahr Opfer körperlicher Gewalt gewesen zu sein;
13 Prozent betonten, sie haben bereits sexuelle Gewalt erlitten;
42 Prozent erklärten, psychische Gewalt in Form von Anschreien, Drohungen und Demütigungen erlebt zu haben. (jp)

Update 8.Dezember 2010: Versehentlich ist die Kommentarfunktion zu diesem Artikel aus einem technischen Fehler zeitweilig gesperrt worden. Wir bitten dies zu entschuldigen. Die Kommentarfunktion ist wieder verfügbar. Die Redaktion.

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