Wertschöpfung durch Wohlfahrt - warum Ausgaben für Pflegeheime, Kitas und Krankenhäuser eine gute Investition sind

Trier/Mainz · Beratung und Betreuung in Altenpflegeheimen, Hospizen, Kindertagesstätten, Krankenhäusern, Schulen oder Werkstätten für Behinderte: Fast jeder Mensch kommt im Laufe seines Lebens mit der Wohlfahrt in Berührung. Deren Rolle als Teil des Wirtschaftssystems ist aber bislang weitgehend unbeachtet geblieben.

Wertschöpfung durch Wohlfahrt - warum Ausgaben für Pflegeheime, Kitas und Krankenhäuser eine gute Investition sind
Foto: obs/Altenpflegeheim Unterm Regenbogen/Tim Detmers

Wer staatliche Zuschüsse erhält, steht unter Rechtfertigungszwang. Er muss gut begründen, warum er für diese oder jene Ausgabe (mehr) Geld braucht. Die Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-Pfalz genießen zwar eine hohe Wertschätzung in Politik und Gesellschaft. Doch auch ihre Mitarbeiter spüren den Rechtfertigungsdruck. Deshalb ist erstmals der ökonomische Aspekt ihrer Leistungen untersucht worden.

Im Januar vergangenen Jahres hat Regine Schuster, Vorsitzende der Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, angekündigt, die Wertschöpfung wissenschaftlich ermitteln zu lassen. Das Ergebnis in Form einer Studie von Professor Stefan Sell von der Hochschule Koblenz liegt nun vor. Der Sozialforscher und seine Mitarbeiterinnen Nicole Kukula und Birte Tiedemann vom Institut für Bildungs- und Sozialpolitik haben zunächst eine 34-seitige Kurzfassung herausgegeben. Die detaillierten Auswertungen und Ergebnisse sollen als ausführlicher Abschlussbericht in Buchform erscheinen.

Die regionale Wertschöpfung haben Sell und sein Team explizit am Beispiel der Heimerziehungseinrichtungen im Landkreis Bernkastel-Wittlich ermittelt. Hier können sie nach eigener Einschätzung ein vollständiges Bild für ein Angebotssegment der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe abgeben. Die Resultate:

Zahlungsrückflüsse: Für die 389 Mitarbeiter in der Heimerziehung wurden 12,1 Millionen Euro Arbeitgeber-Personalkosten gezahlt. Daraus resultieren zwei Millionen Euro an Lohnsteuern und fast 3,7 Millionen Euro an rückfließenden Sozialversicherungsbeiträgen an Kranken- und Rentenkassen. Weitere 226.000 Euro ergeben sich aus sonstigen Steuerrückflüssen (KFZ-Steuer).

Von der öffentlichen Hand erhielten die Einrichtungen insgesamt 17,7 Millionen Euro. Diese setzen sich aus Leistungsentgelten und sonstigen Förderungen von Bund und Land zusammen.

Stellt man die Zahlungsströme gegenüber, fließen für jeden Euro, der in die Heimeziehung in Bernkastel-Wittlich investiert wird, 33 Cent unmittelbar an die öffentliche Hand zurück.

Wohlgemerkt: Insgesamt fließen in Rheinland-Pfalz bei allen Einrichtungen der Wohlfahrtspflege, also nicht nur der Heimerziehung, 72 Cent von jedem Euro an den Staat zurück.

Effekte durch Konsum: Von den 389 Mitarbeitern der Heimerziehung wohnen 387 auch im Kreis Bernkastel-Wittlich. Daraus ergibt sich rechnerisch ein zur Verfügung stehendes Nettoeinkommen von 6,1 Millionen Euro.
Die Forscher ermitteln daraus einen umsatzsteuerpflichtigen Konsum der Mitarbeiter - also Steuerrückflüsse - in Höhe von 934.000 Euro. Das trägt wiederum auch zu Umsätzen bei vor Ort ansässigen Unternehmen im Handwerk und Einzelhandel

Beschäftigungseffekte: Hier kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass mit dem Konsum der 389 Mitarbeiter der Heimerziehung des Kreises Bernkastel-Wittlich sowie durch die Investitionen und Ausgaben der Einrichtungen für Sachgüter und Dienstleistungen 138 indirekte Beschäftigungsverhältnisse gesichert werden.
Das Fazit der Forscher lautet nach Angaben von Professor Stefan Sell, dass "durch die einseitige Kostenfixierung die wahren Ausgaben für die Wohlfahrtspflege massiv überschätzt werden". Für die Verbände der freien Wohlfahrtspflege ist die Studie deshalb so wichtig, weil sie ihnen Argumentationshilfen gibt. "Wir können nun auf wissenschaftlich gesicherte Daten verweisen", sagt die Liga-Vorsitzende Regine Schuster. Die Ergebnisse belegten, dass die Ausgaben für die Wohlfahrtspflege "eine sehr gute Investition" seien. Extra: Die Liga der Spitzenverbände

Die Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-Pfalz ist ein freiwilliger Zusammenschluss der Wohlfahrtsverbände auf Landesebene. Die Liga setzt sich aus fünf Verbandsgruppen zusammen: Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie und Paritätischer Wohlfahrtsverband.

Die Liga repräsentiert insgesamt zwölf Spitzenverbände, ist gemeinwohlorientiert und wertegebunden tätig. Die Wohlfahrtsverbände bestehen neben den öffentlichen (kommunalen) und den privatgewerblichen Trägern und werden als freigemeinnützige Träger bezeichnet. Für die rheinland-pfälzische Landesregierung ist die Liga mit ihren 145.000 Beschäftigten - insgesamt arbeiten 175.000 Menschen im Gesundheits- und Sozialwesen - zentrale Ansprechpartnerin für soziale Belange.

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