Westerwelles Familienbande kommen ins Gerede

Außenminister Guido Westerwelle ist wegen seiner Mitnahmepraxis bei Auslandsreisen erneut in die Kritik geraten. So gehörte zur Wirtschaftsdelegation seiner Asien-Reise auch die Firma seines Bruders Kai.

Berlin/Sao Paulo. Fern in Sao Paulo platzte Guido Westerwelle gestern der Kragen: "Da der Opposition die Argumente ausgehen, versuchen sie es jetzt mit persönliche Attacken gegen mich und meine Familie." Und in Berlin assistierte FDP-Fraktionsgeschäftsführer Jörg van Essen: "Das zielt klar unter die Gürtellinie." Nichts weniger als eine Verquickung von privaten und beruflichen Interessen wird dem Außenminister vorgeworfen.

Schon länger gibt es Fragen, warum Westerwelles Lebensgefährte, der 42-jährige Kölner Event-Veranstalter Michael Mronz, den Außenminister so häufig begleitet und ob er davon geschäftlich etwas hat. Gestern kam noch der Vorwurf dazu, auch Westerwelles Bruder profitiere vom neuen Regierungsjob des FDP-Vorsitzenden. Nach einem Bericht der Berliner Zeitung war Anfang Januar bei einer viertägigen Japan- und China-Reise Westerwelles nicht nur Mronz mit an Bord, sondern auch eine kleine Wirtschaftsdelegation. Zu der gehörte Ralf Marohn, Geschäftsführer der Far Eastern Fernost Beratungs- und Handels GmbH. Miteigentümer dieser Firma ist Kai Westerwelle, der 1996 an der Trierer Universität promovierte. Marohn habe einen hervorragenden Ruf als Asien-Experte, erklärte das Auswärtige Amt die Teilnahme des Mannes. Auch Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) lasse sich von ihm beraten.

Ein weiterer Miteigentümer der Far Eastern ist nach den Angaben der Zeitung Cornelius Boersch, der zu den Großspendern der FDP gehört. Auch Boersch war bei der Asien-Reise dabei. Pikant laut Berliner Zeitung: Eine gemeinsame Firma von Boersch und Mronz hatte zur Fussball-WM 2006 in Deutschland Lesegeräte für die Eintrittskarten geliefert. Bei der derzeit laufenden Südamerika-Reise von Westerwelle und Mronz geht es in Brasilien auch um die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016.

Die letzten beiden Außenminister reisten fast immer solo. SPD-Mann Frank-Walter Steinmeier etwa nahm seine Frau nur zwei Mal zu den sogenannten Gymnich-Treffen der EU-Außenminister mit, die ausdrücklich familiären Charakter haben, sowie einmal nach Polen. Bei Joschka Fischer (Grüne) gab es zwei Partnerbegleitungen. Klaus Kinkel (FDP) allerdings nahm seine Frau auf 27 Reisen mit. Auch Hans-Dietrich Genscher (FDP) reiste häufig mit Gattin und erklärte: "Barbara ist mein Kraftwerk."

Mronz war in Westerwelles bisheriger Amtszeit außer in Asien und Südamerika auch schon in Stockholm und Rom. Als Kritik laut wurde, erklärte er, dass er die Reisen selbst bezahle. Ihm gehe es um soziale Dinge, vor allem die Lage der Kinder. Mronz gehört der Stiftung "Ein Herz für Kinder" an. Ende Februar allerdings ging es nicht um Kinder, sondern um ein Luxus-Hotel in Bonn, dessen Eröffnungsfeier Mronz organisiert hatte. Als Hauptredner trat Westerwelle auf und lobte das Haus als "eines der weltweit spannendsten Hotels". Er habe in seiner Eigenschaft als Bonner Abgeordneter gesprochen, sagte Westerwelle, als die Sache ruchbar wurde. Und Mronz schob nach, er habe sein Veranstalterhonorar gespendet. Wenn Mronz seine Reise tatsächlich selbst zahlt, wirft das neue Fragen auf. Denn das Auswärtige Amt erklärte gestern, er sei als Lebenspartner mit an Bord. Als solcher aber könnte er eigentlich gratis mitfliegen. Selbstzahler sind nur die mitreisenden Journalisten, zu denen Mronz erkennbar nicht gehört, und die Mitglieder der Wirtschaftsdelegation, zu der er nicht gezählt werden will. Denn sonst würde sich unweigerlich die Frage stellen, warum Westerwelle diesen Unternehmer immer wieder bevorzugt. Das Wort Familie würde dann sicher nichts erklären.

Meinung

Keinerlei Besitzanspruch

Ein privater Partner, ob verheiratet oder nicht, ob Männlein oder Weiblein, hat bei der Dienstreise eines Ministers nichts, aber auch gar nichts zu suchen. Das sind keine Familien-, schon gar keine Lustreisen, das ist Arbeit. Der Bundespräsident mag es anders handhaben, aber seine Rolle ist auch eine andere, repräsentativere. Die einzige Ausnahme für einen Minister wäre es, wenn die Reise selbst starke private Programmelemente hätte. Die Kritik an der mehrfachen Mitreise von Michael Mronz hat deshalb mit Homophobie nichts zu tun. Diese Retourkutsche ist perfide. Sie nutzt das Vorurteil gegen Homosexuelle, um sich selbst vor kritischen Fragen zu schützen. Bisher gibt es keine schlüssige Antwort auf die einfache Frage, was Mronz da soll auf den roten Teppichen dieser Welt. Wenn Guido Westerwelle seinem Partner stolz sein neues Zuhause, den Regierungs-Airbus, zeigen möchte, dann soll er das tun, wenn die Maschine im Hangar steht. Aber die Sache geht ja darüber hinaus. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Mronz als Unternehmer vitale Interessen an den internationalen Kontakten hat, die Westerwelle ihm bietet. Es gibt Westerwelles Auftritt auf einer Mronz-Veranstaltung in Bonn. Es gibt die vielen FDP-Großspender auf den wenigen Plätzen in der Wirtschaftsdelegation. Und seit gestern ist bekannt, dass die Familienbande sich auch auf Westerwelles Bruder erstreckt. Es mag Westerwelles Lebensziel gewesen sein, ins Auswärtige Amt zu kommen. Sein Besitz ist es deshalb noch lange nicht. nachrichten.red@volksfreund.de

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