Wie bei Don Camillo und Peppone

TRIER. Ein reuiger Sünder findet einen milden Richter: Der falsche Diakon Marcel Weiss ist gestern vom Schöffengericht in Trier wegen Urkundenfälschung, Amtsanmaßung, Titel-Missbrauch, Betrug und Falschaussage verurteilt worden.

Eine Mischung aus Glück und Reue hat dafür gesorgt, dass der 55-jährige Trierer Marcel Weiss nicht ins Gefängnis muss. Sein Glück ist, dass seine jahrelangen Hochstapeleien als falscher Diakon und angeblicher OP-Pfleger ( TV vom 28. Januar) vergleichsweise wenig Schaden anrichteten. Und seine Reue ­ bewiesen mit einem umfassenden Geständnis ­ erspart einem Dutzend Zeugen einen unangenehmen Auftritt vor Gericht, was Oberstaatsanwalt Georg Jüngling im Plädoyer und Richter Theo Rang im Urteil dem Angeklagten strafmildernd anrechnen. Zwei Jahre Haft, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt sind, so lautet am Ende das Strafmaß. Weil finanziell bei dem arbeitslosen Weiss nichts zu holen ist, muss er als "Denkzettel" (Rang) noch 150 Stunden gemeinnütziger Arbeit leisten.Dass der gebürtige Bonner, der auf der Anklagebank eher ängstlich als dreist wirkt, nicht hinter Gitter wandert, ist nicht selbstverständlich. Denn auf seiner Vorstrafen-Liste finden sich schon eine ganze Reihe von Betrugsfällen und Urkundenfälschungen. Sie datieren aus den Jahren 1986 bis 1990. Dass er dann ein Jahrzehnt lang offenbar gesetzestreu gelebt hat, ehe er wieder mit Betrügereien, Urkundenfälschungen und den Auftritten als falscher Diakon loslegte, erklärt Weiss mit seinen jeweiligen Lebensumständen. In den 80er Jahren sei er auf die schiefe Bahn geraten, als seine Frau ihn sitzen ließ. Und Ende der 90er Jahre sei es dann die Arbeitslosigkeit gewesen, die ihn zu Urkundenfälschungen trieb. Mit seiner Ausbildung als Krankenpflegerhelfer habe er keinen Job bekommen, berichtet Weiss. Dass er sich folglich mit gefälschten Zeugnissen und Urkunden zum OP-Pfleger und zum Lehrer an Pflegeschulen erklärte, sei zur "Verbesserung meiner Arbeitsmarktsituation" geschehen.Seine Auftritte als Diakon lassen sich damit allerdings schlecht begründen. Freimütig gesteht Weiss, dass er ein Trierer Ehepaar getraut, dessen Tochter und ein weiteres Kind getauft hat, bei einer Fronleichnamsprozession in Trier-West mitmarschiert ist und das neue Gewerkschaftshaus des DGB in Trier eingesegnet hat.Nie vorgestellt, aber auch nie dementiert

Nie habe er sich als Diakon vorgestellt, sagt Weiss. Die Leute hätten ihn aber immer für einen Diakon gehalten. Seit Mitte der 90er Jahre habe er hier und da mal ausgeholfen, berichtet der Hochstapler. Die nötigen Kenntnisse habe er dank einer Ausbildung zum Diakon gehabt, die er Ende der 70er Jahre in Bonn absolvierte. Dass er "aus privaten Gründen" niemals eine kirchliche Weihe bekam, verschweigt der falsche Diakon in Trier freilich jahrelang tunlichst.Persönlich bereichert aber, darauf legt Weiss Wert, habe er sich nie. Eine Aussage, die er später allerdings revidieren muss. Ja, er habe sich von dem Trierer Ehepaar eine Spende und Geld für Blumenschmuck geben lassen, wisse aber nicht mehr, was dann mit dem Geld geschehen sei. Laut Anklage handelte es sich immerhin um 900 Mark, die er selbst eingesteckt haben soll.Sowohl die Privatleute wie auch die überlasteten Priester seien doch froh gewesen, überhaupt einen Kirchenmann gefunden zu haben, rechtfertigt sich Weiss. Beispiel DGB: Gewerkschafts-Chef Karl Heinz Päulgen und der eigentlich für das Haus der Gewerkschaft zuständige Pastor Vierbuchen stünden ja schon seit Jahren auf Kriegsfuß, berichtet Weiss. Da sei die Gewerkschaft froh gewesen, einen anderen Geistlichen zu haben. "Wie bei Don Camillo und Peppone", kommentiert Richter Rang.Die Auftritte in der Stola, die offenbar leichtgläubigen Gläubigen ­ all das amüsiert zwar Richter wie Zuschauer. Mit noch größerem Interesse gehen Richter und Staatsanwalt Jüngling aber dem Anklagepunkt "Falschaussage" nach. Denn mit der Wahrheit hat es der vermeintliche Gottesmann Weiss selbst dann nicht so genau genommen, als er als Zeuge im vergangenen Jahr schon einmal im Trierer Gericht zu Gast war ­ und das Gericht nach Strich und Faden belog. Allein dafür hätte Weiss schon in den Bau wandern können, mahnt Richter Rang und erinnert den Hochstapler nachdrücklich an die Bewährung. "Bei der geringsten Verfehlung sind Sie dran!"

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