Verkehr Zahl der Unfälle stark gesunken – trotz Rasern

Trier · Noch arbeiten viele Menschen im Homeoffice, die Schüler lernen zu Hause. Weil die Straßen so schön frei sind, fährt mancher auf der Bundesstraße schon mal 100 km/h schneller als erlaubt. In Trier wird jetzt wieder geblitzt.

 Für die einen ist es ein genüssliches Freizeitvergnügen, andere ärgern sich über den Lärm. Auch auf den Straßen der Region sind derzeit viele Motorradfahrer unterwegs.

Für die einen ist es ein genüssliches Freizeitvergnügen, andere ärgern sich über den Lärm. Auch auf den Straßen der Region sind derzeit viele Motorradfahrer unterwegs.

Foto: picture alliance / dpa-tmn/Matthias Schrader

Röhrende Auspuffgeräusche und knatternde Motoren kennt Margita Wollscheid zur Genüge. Dabei wohnt sie nicht etwa an einer vielbefahrenen Autobahn, sondern im idyllisch gelegenen Hochwaldort Damflos (Kreis Trier-Saarburg) im Nationalpark Hunsrück-Hochwald. „Seit drei bis vier Jahren herrscht viel Verkehr im Nationalpark“, sagt die kaufmännische Angestellte, die seit mehr als 30 Jahren in dem 650 Einwohner großen Dorf lebt.

Aber in diesem Jahr sei es mehr als sonst. Besonders aufgefallen seien ihr die Motorräder, die gerade an den Osterfeiertagen über die Landesstraße 166 am Ort vorbeigerast seien. Und das, obwohl wegen Corona alle Ausflugsgastronomien geschlossen und die Rangertouren durch den Nationalpark abgesagt sind.

„Die fahren doch ohne Ziel und rauschen rücksichtslos hier durch den Ort“, sagt sie. Sie habe schon Verständnis für Genussfahren mit dem Cabrio oder dem Motorrad, „aber dass viele so rasen, kann ich nicht nachvollziehen. Und gerade die Motorräder sind extrem laut“, findet sie. „Vielleicht haben die Leute im Moment mehr Zeit, und die Straßen sind auch recht leer“, vermutet sie als Grund für die vielen Motorrad-Ausflügler.

Ähnlich wie Margita Wollscheid geht es auch einigen Trierer Bürgern, die sich bei der Stadt über Raser beschwert haben. „Die Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern haben zugenommen“, sagt Stadt-Pressesprecher Michael Schmitz. „Diese sind auf verschiedenen Wegen eingegangen, teils über Social-Media-Kanäle.“

Deshalb wird nun offiziell seit dem 17. April wieder das Tempo auf den Trierer Straßen kontrolliert, nachdem das Ordnungsamt Trier rund vier Wochen lang nicht geblitzt hatte. Doch aus den bisherigen Kontrollen lasse sich noch nicht erkennen, ob sich mehr Menschen zum Rasen verleiten lassen, sagt Schmitz. „Wir können eine Beanstandungsquote messen, also die Quote von Autos, die sich an einem Messpunkt nicht an die gültige Geschwindigkeitsbeschränkung gehalten hat“, erklärt er.

Erste Messungen hätten ergeben, dass diese Beanstandungsquote von vier im März auf sechs Prozent bis Mitte April gestiegen ist, was jedoch keinen besonders hohen Wert darstelle. „Da es sich nur um wenige Tage im April handelt, ist der Wert eigentlich noch nicht aussagekräftig“, sagt er. „Wirklich etwas dazu sagen kann man eigentlich erst nach Ablauf des gesamten Monats April.“

Einen leichten Anstieg beobachten die Beamten des Ordnungsamts allerdings bei hohen Geschwindigkeitsüberschreitungen. „Die Zahl der Verstöße mit Fahrverbot nach der Wiederaufnahme der Messungen liegt leicht über den Zahlen des ersten Quartals 2020: Es waren zehn Verfahren mit Überschreitungen zwischen 31 und 50 km/h“, sagt Schmitz.

Entsprechendes berichtet auch Karl-Peter Jochem vom Polizeipräsidium Trier. So hätten die Zentralen Verkehrsdienste seit Mitte März stark überhöhte Geschwindigkeiten in der Region Trier gemessen. „Auf Bundesstraßen wurden vereinzelt schon Geschwindigkeitsüberschreitungen von über 100 km/h gemessen“, sagt Jochem. Das sei zwar auf Autobahnen keine Seltenheit, aber für Bundesstraßen eher ungewöhnlich. „Grund hierfür dürfte die geringe Verkehrsdichte auf den Straßen sein.“

Doch das geringere Verkehrsaufkommen habe auch positive Effekte. Die Geschwindigkeitsverstöße, die das Polizeipräsidium Trier erfasst hat, sind um rund 50 Prozent zurückgegangen, sagt Jochem.

Weitere positive Auswirkung des geringeren Verkehrs: „Auch die Zahl der aufgenommenen Verkehrsunfälle ist erheblich zurückgegangen.“ Während von Mitte März bis Mitte April 2019 noch 1215 Verkehrsunfälle in der Region Trier registriert wurden, waren es im Vergleichszeitraum 2020 nur 700 Unfälle.

Dass mehr gerast würde, konnten weder Marc Borkam, Ortsvorsteher von Trier-West/Pallien, noch Nicole Helbig, Ortsvorsteherin Trier-Süd, feststellen. „Bei mir hat sich kein Bürger gemeldet, dass mehr gerast wird“, sagt Marc Borkam. Selbst auf der sanierten Luxemburger Straße stelle er kaum einen Unterschied zu Vor-Corona-Zeiten fest. Er findet: „Der Verkehr ist sehr gering zurzeit, das ist positiv.“

Auch bei Nicole Helbig habe sich niemand beschwert. „Die Unverbesserlichen, die rasen und ihre Motoren aufheulen lassen, haben wir zu jeder Zeit“, sagt sie und vermutet: „Vielleicht fällt es eher auf, wenn jemand zügiger fährt, weil es jetzt so ruhig ist.“

In diese Richtung geht auch die Einschätzung von Christian Cordel von der Verkehrswacht Trier. „Das menschliche Gehirn kann Geschwindigkeiten schlecht abschätzen“, sagt er. „Wenn ein Mensch an einer Straße steht und nur ein Auto fährt mit einer bestimmten Geschwindigkeit an ihm vorbei, nimmt er dieses eine Auto als schneller wahr, als wenn fünf Autos in genau derselben Geschwindigkeit an ihm vorbeifahren würden.“ Zudem würden viele Menschen laute Motoren- oder Auspuffgeräusche mit schneller Geschwindigkeit verbinden, obwohl das nicht miteinander in Zusammenhang stehen müsse.

Die Motorradscharen, die Margita Wollscheid aus Damflos in letzter Zeit und besonders an Ostern aufgefallen sind, seien Cordels Meinung nach nicht wegen Corona vermehrt unterwegs.

„Wir wissen, dass das gute Wetter die Motorradfahrer auf die Straßen zieht“, sagt er. „Und typischerweise nutzen viele das Osterwochenende, um die ersten Touren zu unternehmen.“ Dennoch warnt Cordel, sich von freien Straßen zum zügigeren Fahren verführen zu lassen: „Überhöhte Geschwindigkeit ist Unfallursache Nummer eins.“

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