Wie der zurückgetretene rheinland-pfälzische SPD-Fraktionschef Hendrik Hering mit seiner Rolle als einfacher Abgeordneter umgeht

Mainz · Staatssekretär, Minister, Fraktionschef: Viel mehr kann man in der Landespolitik nicht erreichen. Hendrik Hering hat all das geschafft. Aber es ist Schnee von gestern. Der SPD-Politiker ist nur noch einer von vielen im Landtag.

Mainz. Ein Marathonläufer braucht eine sehr gute Kondition. Er muss geduldig und zäh sein. Er muss an die Schmerzgrenze gehen. Fünfmal hat Hendrik Hering die Strapazen gemeistert, 42,195 Kilometer zu laufen. Sein letzter Marathon Anfang November in New York wird ihm unvergesslich bleiben. Nicht nur, weil dieser Ort als Mekka für Laufsportler gilt. Sondern auch, weil Hering da schon gewusst hat, dass eine einschneidende berufliche Veränderung bevorsteht.
Im Zuge der großen Kabinettsumbildung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer ist Hendrik Hering seinen Posten als SPD-Fraktionschef losgeworden. In den Wochen zuvor hat er das ausgiebig mit ihr diskutiert. Es war ihr Wunsch, aber letztlich seine Entscheidung. Hätte er es auf eine Kampfabstimmung in der Fraktion ankommen lassen, hätte er sie aufgrund seiner großen Beliebtheit gewonnen.
Der Westerwälder hat damit der Regierungschefin und vor allem seiner Partei einen großen Dienst erwiesen. Er weiß das. Alle in der SPD wissen das. Ob der Schritt richtig war, weiß indes keiner. Im Nachhinein haben sich die damals noch drohenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Sachen Nürburgring gegen ihn in Luft aufgelöst. Hering steht juristisch unbelastet da.
Dreyer wollte die Veränderungen aus politischen Gründen, sagt sie. Hat Hering politische Fehler gemacht, als er 2009 vom damaligen Regierungschef Kurt Beck die undankbare Aufgabe bekam, ein Rettungskonzept für den Nürburgring zu entwerfen? Hering überlegt. Dann sagt er: "Ich wüsste nicht, was ich falsch gemacht haben sollte." Die Staatsanwaltschaft habe nicht nur eindeutig Ermittlungen abgelehnt, sondern ebenso klar Vorwürfe des Landesrechnungshofes entkräftet.Lähmende Dauerdefensive


Politische Prozesse stützen sich nicht immer auf Fakten. Sie werden von Ansichten und Stimmungen beeinflusst. Der Fall Hering ist dafür ein Musterbeispiel.
Im Frühjahr hat der Sozialdemokrat erstmals gespürt, dass es nicht gut für ihn läuft. Die Opposition attackierte ihn. Die Medien kritisierten ihn. In der SPD wuchs der Ärger über eine lähmende Dauerdefensive. "Zum Glück hat man Freunde", erzählt er. Sie beobachteten, wie er sich ständig im Abwehrmodus bewegte. "Das Bild eines Menschen, der an seinem Posten klebt, ging mir sehr gegen den Strich", sagt Hering. Und: "Ich habe mit Statussymbolen nichts am Hut."
So reifte langsam die Erkenntnis, sich besser aus der vordersten Front zu verabschieden. Hendrik Hering, 1996 als Abgeordneter in den Landtag eingezogen, 2001 zum Staatssekretär im Umweltministerium avanciert, 2005 zum Staatssekretär im Innenministerium, 2006 zum Wirtschaftsminister und 2011 zum SPD-Fraktionschef, hat im Landtag einen neuen Platz: zweite Reihe, Zweiter von links.
Für jemanden, der sich 18 Jahre lang hochgearbeitet hat und sogar als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für die Beck-Nachfolge galt, kommt das fast einer Bestrafung gleich. Doch Hering sagt: "Ich komme überraschend gut damit zurecht." Anfangs sei es etwas seltsam gewesen, im Landtag zu sitzen und andere reden zu hören, mittlerweile mache es ihm nichts mehr aus.
Rückblickend betrachtet hat dem 50-Jährigen, der in zweiter Ehe verheiratet ist und drei Kinder hat, die Arbeit als Umweltstaatssekretär und als Wirtschaftsminister am meisten Spaß gemacht. Begründung: "Da konnte man am meisten gestalten." Als Wirtschaftsminister hat Hering großen Respekt von Kammern und Verbänden genossen und der SPD beste Kompetenzwerte beschert, während die aktuelle Ressortchefin Eveline Lemke (Grüne) bisweilen arg zu kämpfen hat.Angekündigte Kandidatur


Was macht ein Politiker, der so tief gefallen ist? "Ich werde in Ruhe abwägen und schauen, was sich ergibt", sagt Hering. Er kündigt an, im Frühjahr 2016 bei der Landtagswahl wieder als Abgeordneter zu kandidieren.
Immerhin ist der Jurist noch Vize-Parteichef - gerade wurde er im Amt bestätigt - und führt den größten SPD-Regionalverband Rheinland. Darauf angesprochen, blitzt aus seinen Augen der bekannte spitzbübische Schalk. "Ich will schon wissen, was los ist."
Bliebe noch seine zweite Leidenschaft, das Laufen. Ursprünglich sollte der Marathon in New York der letzte sein. Doch Hendrik Hering überlegt, wieder zu trainieren. Schließlich sind ihm Fitness, Geduld und Zähigkeit keinesfalls abhandengekommen.

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