Wie ein Vogel ohne Augen

SPANGDAHLEM. Rettung über den Wolken: Ein Pilot der US-Airbase Spangdahlem hat eine mit sieben Personen besetzte Propellermaschine, deren Bord-Elektronik kurz nach dem Start ausgefallen war, sicher zu Boden geleitet.

Artan Berisha ist auch Tage nach dem Zwischenfall über den Wolken noch merklich beeindruckt: "Als ich das andere Flugzeug sah, war das, als käme Jesus Christus zurück", sagt der Co-Pilot. "Es war einfach ein super-gutes Gefühl." Berisha und seinem Chef-Piloten Naim Fazlija widerfuhr, was der Albtraum jeder Besatzung ist - ein massiver Defekt während eines Flugs. Die beiden gebürtigen Kosovaren sind mit ihrer zweimotorigen Piper und fünf Insassen von den Niederlanden nach Genf in der Schweiz unterwegs, als 20 Minuten nach dem Start die Bordelektronik den Geist aufgibt, in einer Flughöhe von rund dreieinhalbtausend Metern. Auch das Funkgerät funktioniert nicht mehr. "Ich fühlte mich plötzlich wie ein Vogel ohne Augen", sagt Pilot Naim Fazlija. Gott sei Dank hat die Besatzung noch ein Handfunkgerät dabei, mit dem sie die deutsche Flugkontrolle über die missliche Lage informieren kann. Wegen der dichten Bewölkung an diesem Novembertag ist an eine Notlandung ohne elektronische Unterstützung kaum zu denken. Der in Spangdahlem stationierte A 10-Pilot Peter Olson ist mit drei Kameraden gerade auf dem Rückflug von einem nachmittäglichen Routine-Training, als ihn die deutsche Bodenkontrolle anfunkt und um Hilfe bittet. Olsons Auftrag: die Propellermaschine finden und sicher zum rund 50 Kilometer entfernten Hunsrück-Flughafen Hahn geleiten. "Ich war zwar etwas besorgt, nachdem ich angefunkt worden war. Aber ich wusste, dass ich rasch handeln muss", erinnert sich der erfahrene Air Force-Major. Kurze Zeit später hat Olson die Piper über dem Luftraum von Baumholder entdeckt, fliegt mit seinem Kampfjet parallel zu der kleinen Maschine. "Natürlich hatte ich Angst"

"Die A 10 tauchte auf einmal aus den Wolken auf, und ich dachte nur: unvorstellbar", zitiert die Militärzeitung "stars and stripes" den Piper-Co-Piloten Berisha. Per Funk meldet sich US-Pilot Olson bei der Piper-Besatzung: "Hallo, ich bin hier, um euch zu helfen. Fliegt einfach hinter mir her, ich bringe euch zum Hahn." Gesagt, getan. In einem Abstand von nur wenigen Metern fliegen die beiden Maschinen mit 250 Stundenkilometern Richtung Hunsrück-Flughafen. "Die Verständigung lief über Handzeichen und das Funkgerät", erinnert sich der US-Major. Ein wenig kritisch wird die Situation, als die beiden Maschinen durch die Wolkendecke fliegen und sich die Piloten für einen Moment aus den Augen verlieren. "Ich war besorgt, dass die Piper möglicherweise in mich rein fliegen könnte", berichtet Olson. Doch das Manöver geht glatt, die beiden Piper-Piloten landen ihre Propellermaschine sicher auf dem Hunsrück-Flughafen. Zwei Tage später ist auch das Flugzeug wieder repariert. "Natürlich hatte ich Angst", sagt Chef-Pilot Fazlija rückblickend. "Wir konnten schließlich nie sicher sein, dass der Flug nicht mit einer Bruchlandung enden würde." Lobende Worte hat er für seinen Schutzengel Peter Olson: "Ich weiß nicht, wie wir ihm danken sollen."

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