Unterrichtsversorgung Land lobt, Lehrer klagen Leid: Wie es um die Unterrichtsversorgung in Rheinland-Pfalz bestellt ist

Trier/Mainz · Das Land spricht von einer hohen Unterrichtsversorgung. Eltern und Lehrer widersprechen deutlich. Sie beklagen die Umstände.

 Wie oft fällt Unterricht aus? Da gibt es verschiedene Sichtweisen im Land.

Wie oft fällt Unterricht aus? Da gibt es verschiedene Sichtweisen im Land.

Foto: picture alliance / Caroline Seid/Caroline Seidel

Seinen Namen will der Lehrer aus der Eifel nicht in der Zeitung lesen. Er unterrichtet an einer Grundschule, muss aber lachen, wenn er die Zahlen zur Unterrichtsversorgung in Rheinland-Pfalz hört. „Wer die Realität kennt, kann das nicht glauben“, sagt er. Was steckt hinter der Kritik, wo sind die Baustellen – und wie steht es wirklich um Schulstunden in Rheinland-Pfalz?

Wie hoch ist die Unterrichtsversorgung?

Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) beziffert die strukturelle Unterrichtsversorgung in Rheinland-Pfalz  auf 98,6 Prozent. Damit fällt hauchdünn weniger Unterricht aus als im Vorjahr (98,5 Prozent). Am höchsten ist die Versorgung in Grundschulen (99,4 Prozent), am geringsten bei Förderschulen (95,1 Prozent).

Warum sind die Werte ein Problem?

Der strukturelle Unterrichtsausfall gibt nur den Wert wieder, der zu Beginn eine Schuljahres schon tatsächlich absehbar ist: beispielsweise, weil Lehrerstellen nicht besetzt sind. Lehrer, Eltern und Schüler beziehen sich aber lieber auf den temporären Unterrichtsausfall, zu dem plötzliche Krankheiten oder Schwangerschaften gehören. Dieser ist nicht kalkulierbar und nach Meinung der Kritiker wirklich entscheidend. Lehrergewerkschaften fordern daher, die strukturelle Unterrichtsversorgung auf weit mehr als 100 Prozent festzulegen, damit Schulen Ausfälle auffangen können.

Kommentar: Dem Land fehlt es an einer Vision in der Bildungspolitik

Was sagen Lehrer und Eltern?

Ein Lehrer aus der Eifel sagt, an den Grundschulen würden kaum mal Schüler wegen Unterrichtsausfalls nach Hause geschickt, weil die kleinen Kinder betreut werden müssten. Doch er schildert: „Wenn Lehrer krank sind, werden Klassen zusammengelegt, Schulleiter verzichten auf Bürostunden, Kollegen kommen mit schwerer Erkältung zur Arbeit, damit überhaupt jemand da ist.“ Nicht einfach sei es in Regionen wie der Eifel, Feuerwehr- oder Vertretungskräfte zu bekommen, die schon anderweitig gebunden seien. Der Lehrer sagt, er habe mehrfach erlebt, dass Kollegen aus der Pension zurückgeholt wurden. Regionalelternsprecher Reiner Schladweiler erzählt von zusammengelegten Klassen. Werde ein Lehrer nur für kurze Zeit krank geschrieben, bleibe ein Ersatz häufig aus.

Was sagt Bildungsministerin Hubig?

Dass die Pflichtversorgung in Fächern wie  Deutsch, Mathe, Englisch gegeben sei. Es könne aber durchaus Schulen geben, die nicht die gewünschte Vielzahl an Arbeitsgemeinschaften anbieten können. Hubig sagt auch, das Land wolle den temporären Unterrichtsaufall verringern. Dazu startet es zum Schuljahr 2018/19 ein Modellprojekt in Koblenz, Mainz und Ludwigshafen, wo die Zahl von sogenannten Feuerwehrlehrkräften erhöht und Grundschulen mehr Spielraum bekommen sollen. Denkbar ist, das Modell im Erfolgsfall auf andere Regionen auszuweiten. Um mehr Lehrer zu binden, will Hubig die Zahl fester Planstellen im Verhältnis zu befristeten Anstellungen bei Vertretungslehrern erhöhen.

Wie viele Lehrer verlassen Rheinland-Pfalz in andere Länder?

Die Antwort des Ministeriums auf eine kleine Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Joachim Paul zeigt: 732 Lehrer wanderten von 2013 bis 2017 in andere Bundesländer ab, 482 kamen aus anderen Ländern nach Rheinland-Pfalz – ein Minus von 250. Lehrergewerkschaften führen die Abgänge auf höhere Besoldung in anderen Bundesländern zurück und fordern eine Aufstockung, um Anreize für junge Lehrer zu schaffen. Ansonsten drohe künftig ein deutlich höherer Unterrichtsausfall. Anreize wollte Hubig auf Nachfrage von Journalisten genauso wenig ausschließen wie einen Nachtragshaushalt, auch wenn sie beides skeptisch sieht. Denn: Das Land muss bis 2020 die schwarze Null im Haushalt schreiben. Man beobachte nun zunächst, wie die neuen Maßnahmen greifen.

 ARCHIV - ILLUSTRATION - Auf einer Tafel steht der Schriftzug «1./2. Stunde fällt aus!!!». Der Unterrichtsausfall ist an Schulen in Dortmund nach einer Umfrage des Recherchezentrums Correctiv höher als bisher angenommen. Vier von zehn Stunden, die nicht planmäßig erteilt wurden, fielen demnach komplett aus, an Gymnasien sogar mehr als 50 Prozent. Eine Stichprobe des Landes komme auf die Hälfte weniger Komplettausfall, teilte Correctiv am Dienstag in Essen mit. Foto: Caroline Seidel/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit

ARCHIV - ILLUSTRATION - Auf einer Tafel steht der Schriftzug «1./2. Stunde fällt aus!!!». Der Unterrichtsausfall ist an Schulen in Dortmund nach einer Umfrage des Recherchezentrums Correctiv höher als bisher angenommen. Vier von zehn Stunden, die nicht planmäßig erteilt wurden, fielen demnach komplett aus, an Gymnasien sogar mehr als 50 Prozent. Eine Stichprobe des Landes komme auf die Hälfte weniger Komplettausfall, teilte Correctiv am Dienstag in Essen mit. Foto: Caroline Seidel/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit

Foto: picture alliance / Caroline Seid/Caroline Seidel

Welche Schulen trifft es am härtesten?

Die Förderschulen. 113 Schüler mehr als im Vorjahr besuchen sie, der Unterrichtsausfall liegt aber bei 4,9 Prozent. Das Problem, so sagen Gewerkschaften: Es gibt zu junge Menschen, die auf Förderschullehramt studieren. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fehlen bis August 2018 mehr als 150 Förderschullehrer im Land. Anke Beilstein von der CDU nennt das „ein Armutszeugnis“ für SPD, FDP und Grüne, die sich die Inklusion auf die Fahnen geschrieben hätten. Gerhard Bold (Verband Bildung und Erziehung) sagt: „Es kann nicht sein, dass die Schwächsten am schlechtesten versorgt werden.“

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