Wie Klöckner und Dreyer ihr Duell angehen

Mainz · Malu Dreyer gegen Julia Klöckner: Dieses spannende und bundesweit erstmalige Duell zweier Frauen um die Macht hat weit vor der Landtagswahl 2016 begonnen. Die personellen Weichenstellungen und die jüngste Debatte im rheinland-pfälzischen Landtag zeigen, wie beide die Auseinandersetzung angehen.

Mainz. Beginnen wir diese Betrachtung mit einem Rückblick auf Kurt Beck: Der ehemalige Regierungschef hätte vor Wut gekocht, wäre er von der Oppositionsführerin so angegangen worden wie am Mittwoch im Landtag seine Nachfolgerin Malu Dreyer von Julia Klöckner. Er hätte sich mindestens eine Stunde Zeit genommen, um im Anschluss an den Debattenbeitrag der CDU-Chefin gegen die Rednerin Dampf abzulassen. Vermutlich hätte er dabei so griesgrämig und zerknirscht gewirkt wie bei den Fernsehduellen mit Klöckner vor der Wahl 2011.
Malu Dreyer ist ein anderer Mensch als Kurt Beck. Sie liest in Unterlagen, während sie von Julia Klöckner attackiert wird. Manchmal blickt sie die Oppositionsführerin an, mehrfach dreht sie sich zu ihrem neuen Staatskanzleichef Clemens Hoch um, raunt ihm stirnrunzelnd etwas zu. Wenn sie sich ärgert, weiß sie es geschickt zu verbergen.
Die Ministerpräsidentin ist keine Freundin des verbalen Schlagabtauschs, den ihre Rivalin beinahe zelebriert. Sie spricht die Dinge nüchtern und sachlich an, zeigt kaum Emotionen. Polemische Angriffe oder witzige Pointen bleiben bei ihr aus.Umfrage: Dreyer vor Klöckner


Bei den Bürgern im Land kommt das offenbar besser an als das forsche Auftreten Klöckners. Auch die jüngste Umfrage des Südwestrundfunks (SWR) sieht Dreyer in der Beliebtheit deutlich vor ihrer Konkurrentin. 45 Prozent der Befragten würden sie wählen, nur 33 Prozent die CDU-Chefin. Dabei wird der Amtsbonus sicherlich eine gewichtige Rolle spielen.
TV-Analyse Landespolitik



Die SWR-Umfrage offenbart allerdings wie die im Monat zuvor einen für die Regierung bedrohlichen Trend: 43 Prozent der Befragten würden die CDU wählen, 31 Prozent die SPD und elf Prozent die Grünen. Rot-Grün hat also derzeit keine Mehrheit.
Genau deshalb, weil die Landesregierung seit Monaten von der Opposition mit der Nürburgring-Affäre in die Defensive gedrängt wird und mit eigenen Themen nicht punkten kann, hat die Ministerpräsidentin reagiert und das Kabinett umgebildet.
Malu Dreyer hat die Koordinaten in der Landespolitik grundlegend verschoben. Sie hat nicht nur vier SPD-Minister ausgetauscht. Sie hat auch ihre Schwächen und die des von ihr abgelösten SPD-Fraktionschefs Hendrik Hering, der ebenso wie sie ein kühler und kluger Stratege, aber kein "Haudrauf" am Rednerpult ist, erkannt. Sie hat nicht davor zurückgeschreckt, tief in die Belange der Fraktion einzugreifen. Wer auf Dauer politisch im Land erfolgreich sein will, braucht eben auch Power im Parlament.Schweitzer polarisiert


Alexander Schweitzer ist genau der Mann, der die gefragten Fähigkeiten besitzt. Schon bei seinem ersten Auftritt hat der neue SPD-Fraktionschef mit seinem rhetorischen Talent das geschafft, was seinen Vorgängern Hendrik Hering und Jochen Hartloff in dieser Position nie vergönnt war: Julia Klöckner so anzugreifen, dass sie ins Schwitzen kommt. Die Schwachpunkte und offenen Flanken der Opposition klar zu benennen. Und damit die eigenen Reihen zu begeistern.
Wenn der ehemalige SPD-Generalsekretär Schweitzer, des Säbelrasselns mächtig, künftig die Abteilung Attacke verkörpert, ist das jedoch ein zweischneidiges Schwert. Denn er polarisiert. Am Abend nach der Landtagssitzung beim traditionellen Martinsgans-essen der CDU-Fraktion erzählt Julia Klöckner, sie habe so viele Mitteilungen von Parteimitgliedern bekommen wie selten zuvor. Will heißen: Greift Rot-Grün sie an, hilft ihr das sogar.
Beide Anwärterinnen auf das höchste Amt in Rheinland-Pfalz haben vor der Landtagswahl 2016 noch ein Problem: Sie müssen ihre Truppen sortieren. Dreyer hat zwar schon alle Personalien entschieden, muss aber die Umsetzung des Wechsels vorantreiben.
In ihrem Kabinett wird Doris Ahnen aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und Expertise wahrscheinlich keine Schwierigkeiten haben, das Finanzressort zu meistern. Dagegen müssen Vera Reiß (Bildung), Sabine Bätzing-Lichtenthäler (Arbeit, Gesundheit, Soziales, Demografie) und Gerhard Robbers (Justiz, Verbraucherschutz) erst noch beweisen, was in ihnen steckt. Die Zeit bis zur Wahl ist knapp.Enttäuschte in der SPD-Fraktion


Auch die SPD-Landtagsfraktion muss sich neu justieren. Hendrik Hering und Jochen Hartloff sitzen jetzt, einer wie der andere enttäuscht, nur noch als einfache Abgeordnete im Landtag, immerhin noch in der zweiten Reihe. Welche Arbeitsgebiete sie übernehmen, muss geklärt werden.
Nicht wenige Sozialdemokraten im Land, jahrzehntelang von Kurt Becks solidarischem Miteinander verwöhnt, fühlen sich außerdem von Malu Dreyers harter Gangart überrumpelt. Streicheleinheiten wird es wohl schon am Samstag beim Parteitag geben.Team-Basteln


Die Oppositionsführerin versucht seit geraumer Zeit, das bislang völlig auf sie zugeschnittene Agieren anders zu ordnen. Plötzlich dürfen auch die Fraktionsvize Christian Baldauf, Adolf Weiland und Alexander Licht häufiger im Landtag reden oder eigene Pressekonferenzen machen - ohne dass die Chefin dabei ist.Munkeln über Schattenkabinett


Julia Klöckner weiß: Alleine kann sie die Landtagswahl nicht gewinnen. Der Wähler will wissen, wer an ihrer Seite regieren würde. Er will auch inhaltliche Leitlinien erkennen, die sich von den rot-grünen unterscheiden. Hier hat die Union Nachholbedarf.
Schon wird in Mainz gemunkelt, Klöckners Schattenkabinett werde wohl überwiegend aus auswärtigen Politikern bestehen. Sollte das so kommen, würde es erheblichen Unmut in der Unionsfraktion provozieren. Es gibt praktisch keinen, der nicht nach all den langen Jahren der Opposition endlich etwas zu sagen haben will.

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