Wieso der Präses fast nicht neidisch ist

TRIER. Medienrummel um den neuen Papst, eherne Wirtschaftsgesetze, die keine sind und Unterschiede zu den katholischen Kollegen – Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, präsentierte sich bei seinem Besuch in der Volksfreund-Redaktion als offener Gesprächspartner.

Nein, neidisch sei er nicht auf die Aufmerksamkeit, die die Katholische Kirche derzeit dank des neuen Papstes genießt, sagt Nikolaus Schneider. Dass sich eine Kirche als Staat organisiere, veranlasst den Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland zu "leichtem Stirnrunzeln". Das halte er für falsch und könne mit dem damit verbundenen Prunk wenig anfangen, sagt Schneider, stimmt dann aber versöhnliche Töne an: "Wenn es unserer gemeinsamen Sache nützt, weil es das Interesse an Kirche und Glaubensfragen fördert, ist es gut." Wie beurteilt der Präses Papst Benedikt XVI.? "Warten wir ab." Er glaube nicht, dass dieser "seine Überzeugungen an der Garderobe" abgegeben habe. Allerdings sei die Rolle des Papstes eine völlig andere als die des Vorsitzenden der Glaubenskongregation: "Pontifex heißt Brückenbauer." Er hoffe, dass man aufgrund der veränderten Voraussetzungen neu miteinander ins Gespräch komme. Seine eigene Kirche sieht Schneider als "missionarische Volkskirche", die von ihrem Glauben spreche und in der Gesellschaft präsent sei. "Wir werden uns nicht hinter die Mauern der Kirche zurückziehen und unsere Seele pflegen." Präsenz zeigt der 57-Jährige etwa beim Thema Wirtschaft. Es könne nicht sein, dass die Wirtschaftsverbände "ihre Reihen dicht geschlossen halten und das Visier herunterklappen", sagt Schneider. "Ich erwarte Selbstkritik." Diskussionsbedarf sieht er auch bei den Grundlinien der Wirtschaftspolitik: "Die sind ja nicht als eherne Gesetze vom Himmel gefallen." Den Medien attestiert der Präses eine "zunehmende Bedeutung für das Zusammenleben in der Gesellschaft. Sie liefern die wesentliche Basis für Orientierung, und die ist wiederum Voraussetzung für Werte". Zugleich verlangt er "persönliches Ethos" und ruft dazu auf, andere Medien kritisch zu begleiten, aber auch selbstkritisch zu sein: "Wir brauchen Fehlerfreundlichkeit." Großen Wert legt Schneider auf die flachen Strukturen in seiner Landeskirche, die die zweitgrößte in Deutschland ist und Teile von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland umfasst: Er ist kein Bischof, wie ihn andere Landeskirchen haben, sondern steht als Präses der Synode vor, die sich aus Kirchenmitgliedern zusammensetzt und einmal im Jahr wichtige Themen diskutiert sowie Entscheidungen trifft. Auch in diesem Punkt sei er nicht neidisch auf die erheblich mächtigeren Kollegen von der Katholischen Kirche, beteuert Schneider. "Ich bin sehr überzeugt von unserem System. Wir haben manches Problem, das die Katholiken umtreibt, nicht." Bisweilen allerdings wäre Schneider wohl doch gerne an der Stelle seines Trierer Kollegen Rheinhard Marx: 80 Prozent seiner Kirchenmitglieder kämen aus Nordrhein-Westfalen, aus den übrigen drei Ländern zusammen nur 20, berichtet er und erzählt, wie Bischof Marx in Fachkreisen genüsslich mit dem Vorurteil aufzuräumen pflegt, die höchste Katholikendichte verzeichne Bayern: "Die meisten gibt’s bei mir!"

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